: Die Wahnsinnsnähe zum Erzeuger
■ Rinderwahnsinn ohne Ende / Stimmen aus der Umgebung
Bislang ist der Rinderwahnsinn vor allem ein deutsches Medienereignis – wenn auch ein eindrucksvolles. Mit eindrucksvollen Konsequenzen: Gerade drei deutsche Fälle von BSE (Bovine Spongiforme Enzephalopathie) sind im Raum Hannover bekannt geworden, alle beim selben Züchter, da sackt der Verkauf von Rindfleisch um 8,5 Prozent – der Absatzverlust in einer Woche sei damit höher als die gesamten englischen Importe während eines Jahres, vermeldete die Centrale Marketinggesellschaft der deutschen Agrargesellschaft. Insgesamt werden 40 Prozent des Rindfleischbedarfes in Deutschand durch Importe gedeckt.
Während die ExpertInnen noch über die genaue Herkunft des Virus und seine Übertragbarkeit auf die Menschen rätseln, haben die – unterstützt von den Ratschlägen der Verbraucherzentralen – schon die ersten Maßnahmen ergriffen: Fleischverzicht ist eine. Wechsel zu einer neuen Fleischquelle eine andere. Unabdingbar damit verbunden die Frage: „Woher stammt Ihr Fleisch?“. Die Erzeuger aus dem Umland sind wieder gefragt. Für die zahlt sich der Hang zur Übersichtlichkeit in Krisenzeiten aus.
Bei Jan Teerling, dem Inhaber eines Sulinger Zuchtbetriebes für Moorschnucken fahren neuerdings KundInnen vor, die er noch nie im Leben gesehen hat. Diese Menschen sind Rindfleischflüchtlinge der besonderen Art. Sie wissen: Die Schnucke ißt vegetarisch. Da hat der Rinderwahnsinn, dessen Ursprung im Fleischmehl vermutet wird, keine Chance.
Auch der Bremer Gesund-Fleischer Raab ist guten Mutes: „Solche Werbung wie wir jetzt haben, könnten wir ja nie bezahlen.“ Der Umsatz steigt. Vor allem vorsichtige, ehemals abgewanderte Kunden, kommen wieder öfter. Um den vielen besorgten Fragen vorzubeugen haben seine rund 15 Erzeuger schriftlich erklärt, keine Importrinder zu halten. Und Tiermehl sei dort sowieso nie verfüttert worden.
Auch der Bremer Milchviehhalter Gerhard Windeler ist nachdenklich: „Man könnte sich ja was einfangen, woran man keine Schuld hat.“ Grund zur Panik, nein, die sieht er nicht: „Es ist wohl gefährlicher, die Langemarckstraße zu überqueren.“ Und toitoitoi, ermuntert er sich selbst: „Von der Krankheit ist noch keine schwarzbunte Kuh befallen.“
Tatsache, sind es die Halter von Rindern englischer Herkunft, die sich besonders Gedanken machen – und die sind auch in der Erzeuger-Verbrauchergenossenschaft vertreten. „Da sieht man, daß man sich nicht isolieren kann“, zieht Peter Bargfrede den Schluß aus der neuen Krankheit. „Es bedroht nun auch Bauern, die ihr Vieh artgerecht halten.“ Trotzdem schwört auch er auf die Nähe zum Erzeuger und warnt vor Panikmache. ede
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