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Entwicklung darf nicht schöngeredet werden

■ Der Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, über den Mietspiegel und die Forderung nach der Kappungsgrenze bei Neuvermietungen

taz: Vor wenigen Tagen hat Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) den neuen Mietspiegel vorgelegt.

Spiegelt das Zahlenwerk tatsächlich die Berliner Mietenrealität wider?

Vetter: Ja, leider. Wie wir feststellen müssen, hat es in den letzten beiden Jahren drastische Mietsprünge von bis zu 50 Prozent bei einigen Kategorien gegeben.

Welche Kategorien waren das?

Beispielsweise bei Neubauten, die vor 1983 fertiggestellt wurden. Da stiegen die Mieten um 56 Prozent. Aber auch Altbauwohnungen haben teilweise bis zu 39 Prozent zugelegt, vor allem Kleinwohnungen mit Heizung. Also Wohnungen, bei denen nun die Modernisierungsumlagen zuschlagen oder Neuvermietungen.

Der Berliner Mieterverein hat im Zusammenhang mit dem Mietspiegel von dem bislang größten Mietsprung gesprochen, der Bausenator sagt, es gebe keinen Grund zur Panik. Kann man nun von einer Mietenexplosion sprechen oder nicht?

Wenn man die Bestandsmieten betrachtet, dann nicht.

Durch die bestehenden Kappungsgrenzen werden diese Wohnungen durch das Mietrecht ja relativ gut geschützt. Die Kappungsgrenze greift ja, wenn die ortsübliche Miete eigentlich eine größere Mieterhöhung hergibt. Aber die Neuvermietungsmieten sind nicht geschützt, und die machen insbesondere diese überproportionalen Mietsteigerungen aus. Es kann also nicht angehen, mit dem Blick auf Durchschnittszahlen die Entwicklung schönzureden.

Wie groß ist die Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt?

In den Zahlen des Mietspiegels sind im Schnitt 25 Prozent Neuvermietungsmieten enthalten. Das sind etwa sechs Prozent pro Jahr und entspricht etwa der Umzugsrate, die im übrigen zurückgegangen ist. Man kann es sich nicht mehr leisten, eine Wohnung aufzugeben.

Welche Schutzwirkung hat der Mietspiegel für die Mieter?

Der Mietspiegel hat eine Doppelfunktion.

Zunächst einmal als Mieterhöhungsmittel für den Vermieter. Zum anderen als Mietbegrenzungsinstrument für den Mieter, der feststellen kann, ob die ortsübliche Miete um mehr als 20 Prozent überhöht und damit unzulässig ist.

Nun ist der Mietspiegel laut Bausenator ein „Abbild der Wirklichkeit“. Was fordert der Berliner Mieterverein, um diese Wirklichkeit mieterfreundlicher zu gestalten?

Ganz oberste Priorität hat eine wirksame Mietbegrenzung bei Neuvermietungen. Da ist das bisherige Recht nicht ausreichend.

Und die Forderung nach Wiedereinführung der Mietpreisbindung?

Die ist passé. Interview: Uwe Rada

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