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Schornsteine gekappt

■ Schöner Wohnen: Nach einer Instandsetzungsverfügung die Schornsteine dichtgemacht Von Kai von Appen

Die MieterInnen der Henning Conle-Terrassenhäuser an der Sternstraße 27 gehen auf die Barrikaden: Erst rotteten ihre Gebäude im Schanzenviertel vor sich hin, nun werden sie im Hauruck-Verfahren notdürftig instandgesetzt – ohne Rücksicht auf die BewohnerInnen, denen einfach die Schornsteinanlagen gekappt wurden. Per Einstweiliger Verfügung wollen MieterInnen den Vermieter, einen Duisburger Großimmobilisten, nun zwingen, die Schornsteine wieder aufzubauen.

Zur Vorgeschichte: Conle hatte die um die Jahrhundertwende gebauten 70 Arbeiterquartiere Anfang der achtziger Jahre gekauft. „Seither hatte er an den Häusern nichts gemacht“, so eine Mieterin. Das Dach war undicht, das Regenwasser lief regelrecht neben der Antennenanlage den Schornstein hinunter, so eine Bewohnerin. Und eine Nachbarin: „Bei mir tropfte es bei Regen so stark in die Wohnung, daß ich Wannen aufstellen mußte.“

Gegen zahlreiche Instandsetzungs-Verfügungen des Bezirkes legte Conle stets Widerspruch ein, flickte kaputte Dächer nur notdürftig mit Isolierschaum. Ende vergangenen Jahres – das Bezirksamt hatte mit einem Bußgeld gedroht – lenkte Henning Conle dann ein. In einem Brief an die Mieter schrieb das Bezirksamt, daß sich Conle nunmehr verpflichtet habe, bis zum 30.6.94 „das gesamte Dach der Häuser und die Schornsteinköpfe instandzusetzen“. Ein Gerichtsurteil, auf die Klage einer Mieterin hin ergangen, bekräftige den Instandsetzungszwang.

Vor knapp drei Wochen fielen urplötzlich die Bautrupps rüde ein: Das Dach wurde abgedeckt, bestehende Dachböden niedergerissen. Vor wenigen Tagen dann ein weiterer Schreck. „Da der Dachdeckerfirma die Schornsteine unter den Händen zusammenbrachen, wurden sie kurzerhand abgerissen und oben ein Dachziegel draufgelegt.“ Das alles geschah ohne jegliche Vorwarnung. Ein Bewohner: „Ein 86 Jahre alter Nachbar hatte gerade seinen Ofen an, als plötzlich schwarzer Qualm herauskam, da der Abzug nicht funktionierte. Der Mann hätte ersticken können.“

Seither kann ein großer Teil der MieterInnen des Conle-Komplexes ihre Wohnungen nicht mehr mit Kohleöfen beheizen. Überhaupt werfen die MieterInnen der idyllischen Terrassenbauten dem Duisburger Architekten rücksichtsloses Vorgehen vor: „Mir sagte vor kurzem nur ein Bauarbeiter, ich sollte vorsichtshalber die Kinder drinnen spielen lassen – Sekunden später krachte ein Stein vom Dach neben uns auf den Boden.“

Gegen Conles Ankündigung, die Wohnungen mit Nachtspeicherheizungen auszustatten, wollen sich die Bewohner gerichtlich widersetzen. Für Mieteranwalt Wolfgang Meins ist das Verhalten Conles eine „verbotene Eigenmacht“, weil es in bestehende Vertragsverhältnisse eingreife, in denen Kohleöfen ausdrücklich als Heizquelle ausgewiesen sind. Dabei würden sich die MieterInnen nicht grundsätzlich einer neuen Heizquelle verschließen: „An unseren Häusern läuft direkt eine Fernwärmeleitung vorbei. Nachtspeicherheizungen wollen wir aber nicht.“ Eine Stellungnahme von Conle war gestern nicht zu bekommen. In seinem Duisburger Büro lief nur der Anrufbeantworter...

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