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Kuttula: Unterordnung statt Selbstfindung

■ Sozialarbeiter erheben Vorwürfe gegen Jugendcamp / Jugendbehörde prüft

Sind Sozialarbeiter im Berliner Jugendamt Prenzlauer Berg auf eine Intrige hereingefallen? Hans-Dieter Klumpe, Rechtsanwalt der finnischen Jugendhilfe-Organisation Kuttula, behauptet, daß der als „Crash-Kid-Papa“ bekanntgewordene Helmut Behnel (taz berichtete mehrfach) das dortige Jugendamt mit „gezinkten“ und „bewußt wahrheitswidrigen Informationen“ versorgt hat. Der Jurist kündigte gestern gegenüber der taz rechtliche Schritte gegen den dortigen Leiter des Amtes für Sozialpädagogische Dienste, Manfred Rabatsch, sowie gegen Morgenpost und Welt an.

In Kuttula sind seit 1992 deutsche Kinder untergebracht, für die die hiesigen Behörden keine andere Unterbringung finden. Rabatsch hat gemeinsam mit der Sozialarbeiterin Gudrun Burkhard einen umfassenden Bericht über das Jugenddorf Kuttula verfaßt und an alle Jugendbehörden der Republik verschickt. Die beiden Tageszeitungen hatten aus dem Bericht zitiert und die Vorwürfe von Rabatsch und Burkhard wiedergegeben, die Kinder würden dort „menschenunwürdig“ behandelt und gezüchtigt.

Seine Mitarbeiterin habe im April vier Tage dort verbracht und heimlich mit Jugendlichen gesprochen, berichtet Manfred Rabatsch. Er habe keinen Anlaß, am Wahrheitsgehalt der Schilderungen zu zweifeln. Aber auch wenn man den skandalträchtigen Prügelvorwurf wegnehme, bleibe der Eindruck, daß Kuttula „keine demokratische Einrichtung ist“. Dort herrsche das Grundprinzip der Anpassung an den Willen des Heimleiters Kari Björkman.

Rabatsch: „Das ist eine Einrichtung, die der Diziplinierung und Unterordnung dient. Jede Selbstfindung, jedes Selbsthilfeelement wird dort unterdrückt“. Er rate den Hamburgern, ihre Kinder schnellstmöglich dort wegzuholen, wie es seine Kollegin mit dem Berliner Jugendlichen auch getan habe. Die Liste der Strafen, so heißt es im Berliner Papier, reiche von Haare abschneiden, nachts im Aufenthaltsraum auf einer schmalen Holzbank schlafen bis hin zu nackt ausziehen und wochenlang Plumpsklos ausleeren. Sogar Selbstbefriedigung sei verboten.

„Das ist alles erstunken und erlogen“, sagt Rechtsanwalt Klumpe. Es gebe in Kuttula lediglich eine Hausordnung, die von den Jugendlichen selbst aufgestellt werde. Selbstverständlich gebe es „Diskussionsrunden“ wenn andere Jugendliche sich beschwerden. Von „Bestrafung“ könne dabei keine Rede sein. Klumpe ist überzeugt, daß die Kuttula-Betreiber Opfer einer Kampagne Helmut Behnels sind, der in der jüngsten Ausgabe seiner „Crash-Kid-Zeitung“ ähnliche Vorwürfe erhoben hat. Allerdings behauptet Rabatsch, er habe nie Kontakt zu Behnel gehabt.

Im Hamburger Amt für Jugend ist man überrascht über den Brief der Berliner Kollegen. „Wir haben bisher immer ganz andere Eindrücke und Erkenntnisse gehabt“, sagt der zuständige Referatsleiter Wolfgang Lerche.

Man habe - zuletzt vor sechs Wochen als Reaktion auf die „Crash-Kid-Zeitung“ - regelmäß Mitarbeiter dorthin geschickt, die stets beruhigt wiedergekommen seien. Da man aber den Berliner Brief sehr ernst nehme, sollen wieder Kollegen hinfahren.

Ganz vom Himmel fällt die Kritik allerdings nicht. Sozialarbeiter vom Hamburger Hauptbahnhof hätten häufiger versucht, „inhaltlich über Kuttulas Konzept zu diskutieren“, sagt die Betreuerin Jaqueline Gebhard. Es habe aber nie funktioniert, „weil Kritiker stets in die Nähe Helmut Behnels gestellt wurden, der versucht mit Kuttula von seinen eigenen Schweinereien abzulenken“. kaj

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