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Abrechnung mit der Vetternwirtschaft

■ In Spanien behindern politische Skandale den Blick nach Straßburg

Seit Wochen erklären die linke und die rechte Opposition in Spanien den 12. Juni zum großen Tag der Abrechnung mit der Vettenwirtschaft der Sozialistischen Arbeiterpartei, PSOE, unter Ministerpräsident Felipe González. Sollten dessen Genossen dann weniger als ein Drittel der 64 spanischen Sitze in Straßburg erobern und bei der gleichzeitigen Regionalwahl in Andalusien auch noch die absolute Mehrheit in ihrer Hochburg Sevilla verlieren, dürfte der Ruf nach einer Vertrauensabtimmung in den Madrider Cortes unüberhörbar werden, wenn nicht gar nach vorgezogenen Neuwahlen. Auftrieb erhalten solche Forderungen durch Meinungsumfragen, die der Konservativen Volkspartei (PP) José Maria Aznars und dem grün-kommunistischen Bündnis der Vereinigten Linken unter Julio Anguita jeweils knapp eine Verdoppelung ihrer Sitze versprechen. Unter solchen Umständen stehen die Spitzenkandidaten Fernando Moran von der PSOE, aber auch der frühere Transportkommissar der Europäischen Union, Abel Matutes von der Konservativen Volkspartei, auf verlorenem Posten. Ihre Versuche einer sachbezogenen Auseinandersetzung finden weder beim Publikum noch bei den Medien ein Echo und gehen im hysterischen Parteiengezänk völlig unter.

Um so trotziger gibt sich der durch die Korruptionsskandale der letzten Wochen schwer angeschlagene Ministerpräsident González. In seinen Augen verraten die Frontalangriffe der Opposition höchstens mangelnde Sattelfestigkeit in europäischen Fragen, was ihr an sich schon die Regierungsfähigkeit abspreche. Anlaß zu innenpolitischen Konsequenzen im Falle einer Niederlage sieht er jedenfalls nicht: „Am 13. Juni wird sich an den Machtverhältnissen nicht das Geringste verändert haben, auch wenn dies ein paar Traumtänzer schmerzt!“

Weil neben den Sozialisten auch die Nationalistenparteien in Katalonien, im Baskenland und auf den Kanarischen Inseln keinerlei Interesse an Neuwahlen zeigen, fühlt sich der Regierungschef ziemlich sicher. Nachdem sich nun auch in Spanien Anzeichen für eine wirtschaftliche Erholung mehren, hofft er, seine vierte Amtszeit bis 1997 durchzustehen. Zwar waren er und seine Partei noch nie so unpopulär wie jetzt. Aber bezeichnenderweise vermögen seine Rivalen davon kaum zu profitieren. Der Rechten fehlt es sowohl an einem glaubwürdigen Programm als auch an einer überzeugenden Führungsmannschaft. Die radikale Linke stellt mit Anguita zwar den angesehendsten und charismatischsten Politiker des Landes, findet jedoch keine Partner zur Bildung einer neuen Mehrheit. All dies läßt, zusammen mit dem zunehmenden Mißtrauen gegenüber den Maastrichter Verträgen, für den 12. Juni eine hohe Stimmenthaltung erwarten, was am ehesten den Sozialisten zugute kommt. Alexander Gschwind, Madrid

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