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Irische Tauschgeschäfte: Hundefutter gegen Reisepaß Von Ralf Sotscheck

Es ist nicht besonders schwer, als AusländerIn einen irischen Paß zu bekommen: Man muß nur genügend Geld investieren. Allerdings muß man auch wissen, wo. Najwa Sabih Masri, eine Geschäftsfrau aus Saudi-Arabien, und ihr Sohn wußten es: Sie legten 1,1 Millionen Pfund in Hunde- und Katzenfutter an. Die Firma „C&D Foods“, der die Finanzspritze zugute kam, ist ein Familienunternehmen – es gehört der Familie des Premierministers Albert Reynolds. Dem Ehemann von Najwa Masri wurde ebenfalls ein Paß versprochen, falls er noch drei Millionen drauflegt.

Die Oppositionsparteien witterten einen Skandal, zumal die Koalitionsregierung aus Fianna Fail (Soldaten des Schicksals) und Labour Party wochenlang eine Parlamentsdebatte über den Fall verhindert hatte. Als schließlich auch die eigenen WählerInnen mißtrauisch wurden, kam man mit einer verblüffenden Erklärung heraus: Michael Smith, Umweltminister und enger Vertrauter des Premierministers, hatte den Masris ein Charakterzeugnis ausgestellt und ihre Naturalisierung empfohlen, ohne zu wissen, wo sie investieren wollten. Premierministersohn Philip und Premierministergattin Kathleen, beide im „C&D“-Vorstand, wußten zwar, wohin das Geld der Masris gehen sollte, hatten aber keine Ahnung von ihrem Einbürgerungsantrag. Und Albert Reynolds selbst wußte von gar nichts, weil ihm niemand etwas gesagt hatte. Offenbar hatte man auch vergessen, die Justizministerin Maire Geoghegan- Quinn zu informieren. Sie erzählte nämlich freimütig, daß die Masris ihre Investition in das premierministerliche Hundefutter im Paßantrag vermerkt hatten, was direkt ein Tohuwabohu im Parlament auslöste. Ein Oppositionspolitiker fragte, ob irgend jemand von der Koalition die Masris jemals zu Gesicht bekommen habe, bevor man ihnen das Charakterzeugnis ausgestellt hat, und mußte sich dafür als „größter Goebbels der irischen Politik“ bezeichnen lassen.

Unterdessen wanden sich die Abgeordneten der Labour Party wie ein Schwarm Aale auf den Regierungsbänken, hatte ihr Vorsitzender, der Außenminister Dick Spring, doch gerade einen Gesetzesentwurf über „Ethik im öffentlichen Dienst“ vorgelegt – ausgerechnet die Labour Party, die sich seit ihrem Eintritt in die Koalitionsregierung vor anderthalb Jahren rührend um ihre Leute kümmert und der Verwandtschaft Pöstchen zuschanzt. Der Entwurf sieht jedenfalls vor, daß PolitikerInnen und andere Leute „in Schlüsselpositionen“ ihre Geschäftsinteressen offenlegen müssen, damit sie nicht versehentlich mit öffentlichen Interessen vermischt werden. Mit „offenlegen“ ist in diesem Fall gemeint, daß die Angaben geheim bleiben. Sie werden lediglich einer Sonderkommission zugänglich gemacht. Und die besteht aus PolitikerInnen. Herr Bock wird also dank des „Ethik-Gesetzes“ zu Herrn Gärtner. Wie das in der Praxis aussieht, zeigte Dick Spring in der vergangenen Woche. Er verkündete, daß er den Masri-Fall untersucht habe und nichts Unethisches feststellen konnte. Damit sei die Angelegenheit dann wohl erledigt. „Das Fianna-Fail-Pferd und der Labour-Esel haben gemeinsam einen Regierungs-Muli produziert“, stellte der Oppositionspolitiker Pat Rabbitte fest. „Jetzt ist der Muli durchgegangen, und mit ihm die Moralvorstellungen der Regierung.“

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