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■ Beginn eines „Nationalen Dialogs“ in ÄgyptenWohin der Ball rollt ...

Wenn eine Regierung den Nationalen Dialog ausruft, dann bedeutet das meist zweierlei. Das Parlament, falls ein solches existiert, ist nicht repräsentativ. Wichtige politische Kräfte im Land sind von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen. Und: Die Regierung steckt in ernsthaften Schwierigkeiten und ist deshalb auf eine breitere Basis angewiesen.

In Ägypten ist beides der Fall. Seit einer Woche ist es nun soweit. Ein Komitee aus Regierungs- und Oppositionsparteien traf sich zur ersten Sitzung, um den Nationalen Dialog vorzubereiten. Das Ägypten des 21. Jahrhunderts soll im Konsensverfahren ausgehandelt werden, heißt es offiziell. Dabei blickt die Regierung weniger ins nächste Jahrtausend als vielmehr zu einem der nordafrikanischen Nachbarländer. Es gilt, algerische Verhältnisse zu verhindern.

Ägypten hat von Algerien gelernt. Zuviel Demokratie ist zu gefährlich. Das wurde bei den letzten algerischen Wahlen deutlich, als die Islamisten als deren eindeutige Sieger hervorgingen. Aber ein kleines Ventil muß eben doch offen gehalten werden, sonst explodiert das Land wie in Algerien nach dem Militärputsch. Daher der „Nationale Dialog“. Bisher will allerdings keine der anderen Seite geben, was sie in den Händen hält. Die Regierung möchte auch im Dialog sichergehen, das sie im Zweifel das letzte Wort hat. Die Opposition will sich nicht zu Claqueuren einer unbeliebten Regierungspolitik degradieren lassen.

Besonders an zwei Dingen wird sich zeigen, ob der Versuchsballon steigt: Wie werden die ägyptischen Islamisten und die Jugend mit einbezogen? Bei ersterem stehen der Regierung Mubarak zwei Strategien offen. Sie schafft ein möglichst breites Bündnis mit der liberalen und linken Opposition gegen die Islamisten oder sie bezieht die moderaten Islamisten mit ins Gespräch ein und spaltet so die islamistische Bewegung zwischen moderaten Muslimbrüdern und militanten gamaat al-Islamiya und gihad. Die letzten polizeilichen Maßnahmen gegen die Muslimbrüder deuten eher auf die erste Strategie hin.

Ein Großteil derer, die sich von den konservativen „Islam ist die Lösung“-Schreiern angezogen fühlen, sind Akademiker im jugendlichen Alter. Sie haben keine Aussicht auf Arbeit. Zum Heiraten reicht das Geld nicht. Zum Auswandern besitzen sie nicht die richtige Kuusa – die richtigen Zucchini – wie gute Beziehungen im ägyptischen Slang genannt werden. Vom offiziellen politischen Leben des Landes sind sie völlig ausgeschlossen. Der Nationale Dialog bildet da keine Ausnahme. Die Hälfte der Mitglieder des jetzt etablierten Dialog-Komitees sind älter als 65, keiner ist jünger als 55.

Wenn die ganze Sache nun jetzt nicht ganz im Sand verläuft, dann hat das nur einen Grund: Beide, Regierung und Opposition brauchen den Nationalen Dialog. Die einen benötigen eine breitere Basis zum Regieren, die anderen mehr demokratische Freiräume.

Das macht die Dynamik des Dialoges aus und die Hoffnung, das sich langfristig doch etwas bewegt. Der ägyptische Soziologe und Philosoph Anwar Abdel Malek faßt das sportlich zusammen: „Der Nationale Dialog ist wie ein Fußballmatch. Hat man einmal das Spiel angepfiffen, kann man nicht mehr kontrollieren, wohin der Ball rollt.“ Karim El-Gawhary

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