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Die Normandie im Ausnahmezustand

■ 13.000 Sicherheitskräfte schützen das Gedenkmarathon

Die Veteranen können zufrieden sein, selbst das Wetter spielt mit. Mit Regen und Sturmböen war es am Wochenende ähnlich schlecht wie vor 50 Jahren. Damals hatte die Wetterlage General Eisenhower gezwungen, die „Operation Overlord“ vom 5. auf den 6. Juni zu verschieben. Gestern bangte ein Heer von Fallschirmspringern bis zur letzten Minute, ob sie wie geplant über Sainte-Mére-Église abspringen könnten. Unter ihnen waren auch 38 US-Veteranen im Alter bis zu 83 Jahren, die sich seit langem auf den Erinnerungssprung vorbereitet hatten. „Es sollte ein Volksfest werden“, bedauerte der Bürgermeister des Städtchens, als er den Zuschauern den Zutritt zum Sprungfeld aus Sicherheitsgründen verbot.

Auch zu dem Gedenkmarathon des heutigen Tages haben Unbeteiligte keinen Zutritt: Alle wichtigen Straßen der Normandie sind abgesperrt, ohne Sonderausweis ist keine Annäherung möglich. An den fünf Stränden der Landung, die ihre englischen Code-Namen Sword, Juno, Gold, Omaha und Utah bis heute beibehalten haben, finden nationale, bi- und internationale Militärzeremonien statt. Das Programm verzeichnet 27 Feiern innerhalb von 36 Stunden. Zu jeder Veranstaltung werden zwei bis drei Staats- und Regierungschefs erwartet. Alles in allem haben 19 gekrönte und ungekrönte Oberhäupter von Neuseeland über Australien und Polen bis Luxemburg die Erinnerungsreise angetreten – am D-Day waren Soldaten aus 13 Ländern beteiligt.

Um Attentäter abzuschrecken, hat Frankreich für heute eine Armee an Sicherheitskräften mobilisiert: 13.000 Leibwächter, Polizisten, Ordner und Militärs wachen am Boden über die Gäste, 450 Soldaten kontrollieren den Luftraum. Eine Awacs-Maschine, vier Jagdbomber und mehrere bewaffnete Hubschrauber sind ebenfalls im Einsatz, um Eindringlinge abzuhalten. Weniger beherrschbar als die Sicherheit erscheint den Organisatoren die Gesundheit der alten Kämpfer. Einige amerikanische Reiseveranstalter haben die Erfahrung gemacht, daß die Todesrate bei solchen Feiern mit über 70jährigen bei eins zu tausend liegt – in der Normandie sind heute rund 50.000 Veteranen versammelt. Vorsichtshalber sollte in Caen eine spezielle Leichenhalle aufgebaut werden, und die Botschaften der beteiligten Länder wurden aufgefordert, sich für etwaige Formalitäten bereitzuhalten.

Während der Tag den reinen Militärzeremonien vorbehalten ist, findet heute abend beim Friedensmemorial in Caen ein großes Ton- und-Licht-Spektakel statt: 60.000 Menschen können dort im Kreis der KönigInnen und Staatschefs zuschauen, wie 2.000 Akteure in allegorischen Bildern an Krieg und Befreiung erinnern. Das Schauspiel findet um und auf einer 16 Meter hohen Pyramide statt, die vom französischen Kulturministerium als „gigantische Erinnerungsmaschine“ angekündigt wurde: Es soll „eine Botschaft von Frieden und Hoffnung“ vermitteln.

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