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Nordjemen stimmt Waffenstillstand zu

Der Golfkooperationsrat erkennt beinahe die Abspaltung des jemenitischen Südens an / In dem Bund der Golfstaaten versucht jeder auf seine Art von dem „Bruderkrieg“ zu profitieren  ■ Von Khalil Abied

Sanaa (taz) – Sieben Wochen nach Beginn des „Bruderkriegs“ im Jemen stimmte die Führung des Nordens gestern einem Waffenstillstand zu. Ab Mitternacht sollten die Waffen ruhen, erklärte Außenminister Mohammad Bassandawa am Nachmittag in Sanaa. Bisher hatten die Truppen des Nordens auf einen militärischen Sieg gegen den abtrünnigen Süden gesetzt. Der Gesinnungswandel dürfte durch einen Beschluß des Golfkooperationsrates forciert worden sein. Dieser hatte am Sonntag eine Resolution verabschiedet, die von politischen Beobachtern als „letzter Schritt vor der Anerkennung“ der am 21. Mai im Süden ausgerufenen „Demokratische Republik Jemen“ interpretiert wurde.

Der Kooperationsrat habe die 1990 vollzogene Vereinigung der nördlichen „Arabischen Jemenitischen Republik“ und der südlichen „Demokratischen Volksrepublik Jemen“ begrüßt, ihre Fortdauer müsse aber „von einem gegenseitigen Einverständnis abhängig sein“, heißt es in einer im saudiarabischen Abha verabschiedeten Erklärung. Die Einheit dürfe nicht mit militärischen Mitteln erzwungen werden. Die Erklärung wurde von den Außenministern Saudi- Arabiens, Kuwaits, Omans, Bahreins und der Vereinigten Arabischen Emirate formuliert. Einzig der Vertreter Qatars, Hamad Al- Thani, äußerte Vorbehalte. Weil er die Sitzung jedoch vor Beendigung aus gesundheitlichen Gründen verließ, wurde die Resolution einstimmig angenommen. Mitglieder der Delegation aus Qatar äußerten die Befürchtung, daß die Resolution zu einer weiteren Eskalation des Konflikts beitragen werde.

Qatar fordert als einziges Mitglied des Rates vorbehaltlos die Wiederherstellung der jemenitischen Einheit. Die Führung des kleinen, aber reichen Staats hat sich vor knapp zwei Jahren mit dem saudischen Königshaus überworfen. Zwischen beiden Staaten bestehen Streitigkeiten über den Verlauf ihrer gemeinsamen Grenze. Qatar wirft den Saudis vor, die kleinen Golfstaaten dominieren zu wollen. Politische Beobachter sehen in der Erklärung des Kooperationsrats einen Erfolg für Saudi-Arabien. Anders als die meisten arabischen Regierungen reagierte das saudische Königshaus 1990 zurückhaltend auf die Vereinigung der beiden jemenitischen Teilstaaten. Die konservativen Regenten sahen in dem erstarkten Nachbarn vor allem eine Bedrohung für die eigene Hegemonie. Der vereinigte Jemen hat mit 14 Millionen Menschen fast doppelt so viele EinwohnerInnen wie Saudi-Arabien.

Umfangreiche Ölvorkommen in beiden Landesteilen könnten den Jemen zu einer wichtigen Wirtschaftsmacht machen. Zudem fürchteten die saudischen Herrscher, daß die im Nachbarland nach der Vereinigung durchgeführten Parlamentswahlen auch bei der eigenen Bevölkerung den Wunsch nach Demokratisierung stärken könnten. Nicht zu vergessen sind Grenzstreitigkeiten zwischen Jemen und Saudi-Arabien. Zur Zeit kontrolliert Saudi-Arabien die ölreiche umstrittene Region, und in Riad hegt man die Hoffnung, daß dies durch den „Bruderkrieg“ auch so bleibt. Seit Beginn der Krise zwischen dem Norden und dem Süden Jemens unterstützt das konservative Königshaus die früheren Kommunisten im Süden. Diese Allianz folgt streng dem Motto: Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte.

Auch das Emirat Kuwait hat einen eigenen Grund, sich auf die Seite des Südens zu schlagen: Rache. Während des Golfkriegs hatte sich der vereinte Jemen unter der Führung des aus dem Norden stammenden Präsidenten Ali Abdallah Salih auf die Seite Iraks geschlagen. Für die Führung in Kuwait scheint nun die Stunde gekommen, sich zu revanchieren. In diplomatischen Kreisen in Sanaa wird gemunkelt, Kuweit habe den südjemenitischen Truppen Waffen zur Verfügung gestellt, die die irakischen Besatzer bei ihrer Flucht im Frühjahr 1991 zurückgelassen hatten.

Auf der anderen Seite wirft die Regierung der international noch nicht anerkannten südjemenitischen Republik dem Irak und Jordanien vor, den Norden mit Kriegsgerät zu versorgen. In einem Interview behauptete „Präsident“ Ali Al-Bid, der Irak habe dem Norden acht Kampfflugzeuge geliefert – mit Umweg über Usbekistan. Vermittelt habe das Geschäft der Iran. Die südjemenitische Führung hat in den Wochen seit Kriegsbeginn mehrfach behauptet, ihren Truppen seien auf der Seite des Nordens kämpfende irakische Piloten in die Hände gefallen. Jedoch wurde noch keiner dieser angeblichen Kriegsgefangenen vorgeführt. Vorwürfe, auf seiten des Nordens in den Krieg einzugreifen, gingen auch an die Adresse Jordaniens. In Amman werden diese Anschuldigungen strikt dementiert.

Unterdessen gingen die Kämpfe gestern weiter. Nordjeminitische Soldaten nahmen den Flughafen der südlichen Hauptstadt Aden unter Beschuß. Auch eine Wasserversorgungsstation wurde von Granaten getroffen. Laut Berichten aus Aden sind mehrere Viertel der belagerten Stadt ohne fließendes Wasser und Strom.

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