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Eine alte Waffenbruderschaft verbindet Paris und Kigali

■ Der ermordete ruandische Präsident Habyarimana wurde von Frankreich jahrelang unterstützt und aufgerüstet

Berlin (taz) – Die engen Beziehungen zwischen dem Pariser Establishment und Ruandas Machtelite um den ermordeten Präsidenten Juvénal Habyarimana sind alt. Seit seiner Machtergreifung 1973 war Habyarimana ein Freund Frankreichs. 1975 schlossen die Regierungen Ruandas und Frankreichs ein Militärabkommen, samt den bei französisch-afrikanischen Vereinbarungen üblichen geheimen Beistandsklauseln.

Als im Oktober 1990 die Guerillabewegung RPF von Uganda aus in Ruanda einmarschierte, um Habyarimana zu stürzen, schickten Frankreich, Belgien und Zaire Soldaten. Sie sollten hauptsächlich Ausländer schützen, kämpften zum Teil aber auf Regierungsseite. Der Vormarsch der RPF auf die Hauptstadt Kigali endete erst, als ein französischer Kampfhubschrauber die Nachschubkolonne der Guerilla beschoß und die RPF- Offensive damit beendete. 150 der 500 französischen Soldaten blieben auch nach dem Abflauen der ersten Kampfrunde stationiert. Sie kontrollierten insbesondere den Flughafen von Kigali.

Die französische Militärhilfe für Ruanda wuchs in den Jahren 1991 und 1992 rapide an und ermöglichte die Aufstockung der ruandischen Armee von 5.000 auf 40.000 Mann. Frankreich, Südafrika und Ägypten lieferten Kriegsmaterial in großen Mengen. So charterte die staatliche Fluggesellschaft Air Rwanda zum Beispiel im Mai 1992 bulgarische Flugzeuge, um Mörsergeschosse aus dem französischen ChÛteauroux nach Ruanda zu fliegen. Auch südafrikanische Zivilflugzeuge mit gleicher Mission wurden damals in ChÛteauroux gesehen. Gleichzeitig häuften sich Berichte über Übergriffe und Massaker der Regierungstruppen an Angehörigen der Tutsi-Minderheit, die als Unterstützer der Guerilla und daher als Staatsfeinde gelten. „Die Verbreitung von Waffen in Ruanda hat in den vergangenen drei Jahre dazu beigetragen, daß es massive Menschenrechtsverletzungen gab“, schrieb die Organisation Africa Watch in einem im Januar 1994 veröffentlichten Bericht.

Während ruandische Militärs systematisch Regimegegner umbrachten, hatten die nach dem Vertrag von 1975 in Ruanda stationierten französischen Militärberater führende Funktionen im Aufbau des ruandischen Militärapparats. Im April 1992 übernahm der französische Oberstleutnant Jean- Jacques Maurin nach einem Bericht der Pariser Zeitung Libération das de-facto-Kommando der militärischen Operationen der ruandischen Armee. Als Anfang Juni die nördliche Stadt Byumba in die Hände der RPF fiel, erhöhte Frankreich sein Truppenkontingent von 150 auf 300 Soldaten – immer noch mit der offiziellen Mission, französische Staatsbürger zu schützen. Wenige Tage später eroberte die Regierungsarmee Byumba zurück. In der Folge führte die ruandische Armee einen schmutzigen Krieg um die nordwestliche Region des Landes nahe der zairischen Grenze. Im Januar 1993 berichtete Africa Watch von Massengräbern mit Regimegegnern nahe der nordwestlichen Städte Ruhengeri und Gisenyi. Im Armeelager Bigugwe, zwischen diesen Städten gelegen, hielten sich zu dieser Zeit französische Militärs zu Ausbildungszwecken auf; das Lager wurde angeblich auch als Gefangenenlager benutzt. Ebenfalls im Januar 1993 bereiste eine internationale Untersuchungskommission Ruanda, um die Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen; wenige Tage nach ihrer Abreise am 21. Januar kam es zu einem neuen Armeemassaker an 300 bis 400 Tutsis im Nordwesten. Die RPF nahm dies zum Anlaß einer erneuten Offensive, worauf Frankreich Anfang Februar seine Truppen erneut um 260 Mann verstärkte – es waren jetzt 560 Soldaten, alle offiziell zum Schutz der 400 französischen Einwohner Ruandas. Die Regierungsarmee stoppte die RPF kurz vor Kigali, eroberte Ruhengeri zurück und genoß nach Berichten der 1992 von der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) entsandten Militärbeobachter direkte französische Unterstützung. Ruhengeri war nach dem Durchmarsch der Regierungssoldaten geplündert und verlassen.

Offenbar wurde die wachsende französische Verstrickung in den ruandischen Krieg und die zunehmende internationale Kritik daran schließlich selbst Paris zuviel. Nachdem sie ihre Truppenverstärkung losgeschickt hatte, forderte die Pariser Regierung die UNO auf, in den Konflikt einzugreifen. Nach dem Friedensschluß zwischen Ruandas Regierung und der RPF im August 1993 stationierte die UNO eine 2.500köpfige Blauhelmtruppe im Land; Frankreich zog seine Soldaten ab. Aber ihre Hinterlassenschaft – eine aufgeblähte, von französischen Beratern und französischem Geld abhängige ruandische Armee, die ihrer Demobilisierung entgegenzitterte – blieb bestehen: Grundlage für das Blutbad, das auf die noch immer ungeklärte Ermordung Habyarimanas am 6. April dieses Jahres folgte und Ruanda zum derzeit schlimmsten Kriegsschauplatz der Welt gemacht hat. D.J.

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