Preag-Reserve für Stadtwerke

■ Bremer Wirtschaftswissenschaftler zu den Kosten des Atomausstiegs

Über den Strompreis finanzieren die Menschen im Bremer Umland indirekt der „Preussen Elektra“ (Preag) den Kauf von Bremer Stadtwerkeanteilen. Die Preag-Tochterunternehmen, die das Umland mit Strom versorgen, rechnen in den Preis „Nachsorge-Rückstellungen“ ein, Geld, das für die „Nachsorge“ bei der Atomstromherstellung (Wiederaufbereitung, Lagerung etc.) zur Seite gelegt wird. Diese Reserven werden nach Ansicht des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Jürgen Franke von der Preag mißbräuchlich genutzt – denn der Atomstromkonzern zahlt dafür keine Steuern und will mit dem Geld, das für die atomare Entsorgung vorgehalten werden sollte, den Nicht-Atomstrom-Hersteller Bremer Stadtwerke kaufen.

„Bei geschätzten 6 Milliarden Rückstellungen der Preag sind die anvisierten 300 Millionen für die Stadtwerke fünf Prozent - die finanzieren den Stadtwerkekauf aus der Portokasse und können gegenüber anderen Konkurrenten locker noch mal 10 Millionen drauflegen“, meinte Franke gestern. Die Preag verstößt seiner Ansicht nach damit gegen das Steuerrecht und vor allem gegen das Kartellrecht, wenn sie mit dem Geld für die atomare Entsorgung ihren Zugriff auf andere Stromerzeuger ausweitet. Was den Wissenschaftler besonders wurmt: „Mit dem Strompreis bezahlen die Kunden für den Einstieg der Preag in die Stadtwerke und damit den Ausverkauf der energiepolitischen Instrumente, die man zu einem Umsteuern in der Energiepolitik bräuchte.“

Bundesweit haben nach Frankes Ansicht die großen Atomstromer 18 Milliarden „Nachsorge-Rückhaltungen“ zuviel in ihren Kassen. Wenn es nach dem Wirtschaftswissenschaftler geht, soll dieses Geld enteignet und einem neu zu gründenen Energieministerium in Bonn zur Verfügung gestellt werden. Aus dem Fonds soll dann eine „vernünftige Energiepolitik“ gemacht werden, die den Ausstieg aus der Atomwirtschaft anstrebt. Daß dieser Ausstieg nicht nur grüne Blütenträume sind, sondern sich auch in Mark und Pfennig rechnet, hat der Wirtschaftswissenschaftler bereits vor einem Monat in seinem Gutachten „Was kostet der Atomausstieg?“ dargelegt, das er im Auftrag von Greenpeace erstellt hat.

Die Ergebnisse der Studie sind eindeutig: Der Ausstieg ist für die gesamte Volkswirtschaft ökonomisch günstiger und wirkt sich positiv - sprich reduzierend - auf die CO2-Bilanz der Bundesrepublik aus. Die Zahlen widerlegen die Angaben der Elektrizitätswirtschaft, der Ausstieg aus der Atomkraft werde schlappe 238 Milliarden Mark kosten. Außerdem argumentieren die Stromkonzerne mit der CO2-Einsparung durch Atomkraftwerke.

Erstmals werden in der Greenpeace-Studie die gesamtwirtschaftlichen Kosten sowie die Auswirkungen auf die CO2-Belastung bei einem Ausstieg aus der Atomkraft gegenüberstellt. Laut Jürgen Franke ergeben sich für einen Sofortausstieg Mehrkosten von 28,5 Milliarden, für das Greenpeace-Szenario (stufenweiser Ausstieg bis Jahr 2000) dagegen Einsparungen von 38 Milliarden Mark gegenüber dem Trend-Szenario des „Weiter so“.

Nach der Studie belaufen sich die AKW-Unfallkosten an „verlorenen Menschen und Krankheiten“ beim stufenweisen Ausstieg immerhin auf „nur“ 20 Milliarden Mark, während beim „Weiter so“-Trend rund 67 Milliarden Mark veranschlagt sind. Im Klartext heißt das: Das atomare Unfallrisiko sinkt, wenn der Ausstieg begonnen wird. „Es ist technisch und wirtschaftlich durchaus möglich, ohne Atomstrom zu leben“, sagt der Greenpeace-Sprecher Ralf Haese. Greenpeace kalkuliert sechs bis sieben Jahre ein, um die entsprechenden Umstrukturierungen einzuleiten. Ein Sofortausstieg sei politisch und wirtschaftlich unrealistisch.

Berhard Pötter/Fränze Stucky