: Homo-Parade mit Hindernissen
■ Bremer Christopher-Street-Day: Statt schwullesbischer Feier ideologischer Hick-Hack
Um das zarte Pflänzchen des sich gerade erst in Bremen installierenden Christopher-Street-Day (CSD) ist in der Lesben- und Schwulenszene ein ideologischer Streit entbrannt. Zum Jahrestag der Proteste gegen Polizeirazzien und Diskriminierung von Lesben und Schwulen – in der New Yorker Schwulenbar „Stonewall“ in der Christopher Street schlugen Lesben und Schwule erstmals im Jahr 1969 zurück, die Geburtsstunde der modernen Bewegung – finden in Städten wie New York, San Francisco, Berlin und Köln große Paraden statt, bei denen Lesben und Schwule auf die Straße gehen, um teils schrill und bunt für ihre Rechte zu demonstrieren. In Bremen, wo 1979 der erste und bis zum letzten Jahr auch der einzige (CSD) stattfand, hat sich Anfang diesen Jahres der Verein „Christopher-Street-Day Bremen/Weser-Ems“ gegründet, der auch in der Hansestadt am Samstag morgen Homosexuelle auf die Straße bringen möchte – mit einer „bunten Parade, Umzugswagen, wohl auch Leuten in Verkleidung und politischer Aussage“, so Mitveranstalter Wilhelm Breßer. Das Motto: „Flagge zeigen, Farbe bekennen“.
„Wir werden diesen Kommerz-Karneval stören“, kündigte nun die lesbisch/schwule Initiative „Suspekt“ aus dem Sielwallhaus an: „Wir wollen deutlich machen, daß es auch um einen politischen Kampf geht und nicht nur um den Ausdruck schwuler Lebensfreude“, sagte Henry Meyer von „Suspekt“. Offene Gewalt „gegen alle, die nicht in die Norm passen“ und ein radikalkonservativer Rechtsruck verbiete es, „nur die Lust am Anderssein zu demonstrieren.“ Die Initiative reibt sich unter anderem daran, daß die Zeitschrift „Prinz“ ebenso wie kommerzielle Schwulenbars und -Saunen den Bremer Gay-Pride-Day mitsponsern. Dem CSD-Verein ist es zudem nicht gelungen, Lesben mit einzubeziehen. Besonders stört „Suspekt“ aber auch eins von drei Zielen des als gemeinnützig anerkannten CSD-Vereins, das da neben Durchführung des CSD und der gesellschaftlichen Anerkennung der HIV-Positiven und AIDS-Erkrankten heißt: „Integration der homosexuellen Bürgerinnen und Bürger in die Gesellschaft.“ Dazu Suspekt: „Wir wollen nicht integriert werden in eine nach wie vor lesben- und schwulenfeindliche Gesellschaft.“ Nicht möglich sei es gewesen, ihre Inhalte in den CSD zu integrieren – schließlich wolle die Initiative, die gemeinsam mit der Aidshilfe die Entpolitisierung beklagte, „nicht Einigkeit demonstrieren, wo es vehemente inhaltliche Differenzen gibt“, so Christian Wagner von „Suspekt“.
Mitveranstalter Breßer legt derweil Wert darauf, daß die Forderungen nach Akzeptanz und rechtlicher Gleichstellung nicht zu kurz kommen: „Da Stellung zu beziehen ist uns ganz wichtig.“ Der Streitpunkt Kommerz sei letztlich entscheidend gewesen.
„Suspekt“ hat mittlerweile Abstand davon genommen, die Veranstaltung zu boykottieren, ist allerdings vom Berlin-Syndrom angesteckt: Dort finden in diesem Jahr zum zweiten Mal zwei CSDs statt – eine Spaltung, die mit ähnlichen Argumenten begonnen hatte. In Bremen scheitert dies allerdings daran, daß der eine wie der andere Haufen vermutlich kläglich in der Innenstadt untergehen würde. Im letzten Jahr gingen lediglich 200 Leute auf die Straße - Breßer: „Es ist immer noch ein Problem, sich in der eigenen Stadt als schwul oder lesbisch zu zeigen.“
Susanne Kaiser
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