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Sozialleistungen, nicht Privilegien

■ Rudi Vetter, Sprecher der Deutschen Postgewerkschaft (DPG), wirbt um Verständnis für die „notwendigen Warnstreiks“

taz: Herr Vetter, kaum jemand versteht den Streik der Postbeschäftigten. Warum sind die aktuellen Streikaktionen für Sie so wichtig?

Rudi Vetter: Das, was im Moment von den Arbeitgebern vorliegt, ist völlig unzureichend. Wenn die Arbeitgeber sich weigern, rechtsverbindliche Tarifverträge abzuschließen, hat eine Gewerkschaft keine andere Möglichkeit, sich zu wehren. Aus unserer Sicht sind die Warnstreiks notwendig: Wir können dafür in der Öffentlichkeit nur um Verständnis werben.

Es wird den Postlern vorgeworfen, sich mit den Warnstreiks nur Privilegien sichern zu wollen.

Die Privilegiendiskussion halte ich für völlig verfehlt. Hier geht es um wichtige Dinge, um etwas, das andere Arbeitnehmer auch haben, um die Betriebskrankenkasse, das Erholungswerk. Um soziale Leistungen, die geschützt werden sollen.

Sie wollen diese Leistungen aber in einem Sozialtarifvertrag festhalten. In privatwirtschaftlichen Unternehmen sind diese Sozialleistungen dagegen nur Bestandteil von Betriebsvereinbarungen, die leichter aufgekündigt werden können. Also geht es Ihnen doch um Privilegien.

Die Arbeitgeber haben zwar gesagt, es solle keine Einschnitte im sozialen Besitzstand der Beschäftigten geben. Das ist aber nur möglich, wenn wir das in Tarifverträgen rechtsverbindlich machen.

Die Arbeitgeber behaupten, sie seien der DPG schon durchaus entgegengekommen.

Die Arbeitgeber haben in der vergangenen Nacht einen Vorschlag zum Abschluß eines Sozialtarifvertrages vorgelegt. Dort haben sie hineingeschrieben, es solle keine Einschränkungen geben im zeitlichen Zusammenhang mit der Postreform II. Sie haben dann aber in dieses Angebot hineinformuliert, daß davon die Möglichkeit der künftigen Aktiengesellschaft, die Sozialleistungen neu zu gestalten, unberührt bliebe.

Was bedeutet das konkret?

Das bedeutet, daß wir den Arbeitgebern einen Freibrief unterschreiben sollen. Wenn es zur Privatisierung kommt, könnten dann die Aktiengesellschaften den gesamten Bereich der Sozialleistungen nach ihrem Willen neu gestalten. Wir wollen diese Leistungen aber in Tarifverträgen festgeschrieben haben, die auch für die künftigen Aktiengesellschaften verbindlich sind. Die Beschäftigten müssen einen individuellen Rechtsanspruch haben, deswegen brauchen wir einen Tarifvertrag. Und wir wollen nicht, daß das einseitig von den Arbeitgebern verändert werden kann.

Wie groß ist die Bereitschaft der Beschäftigten zum Warnstreik?

Das haben ja nun schon die Großkundgebungen gezeigt, die wir in Dortmund hatten vor gut einer Woche, und die Aktionswoche, die wir zur Postreform hatten. Auch die Warnstreiks haben klargemacht, daß die Beschäftigten nicht bereit sind, eine Postreform hinzunehmen, die gegen ihre Interessen läuft, die wir so nicht wollen, und das dann auch noch im Sozialbereich mitzubezahlen. Ich gehe davon aus, daß der Warnstreikaufruf von den Beschäftigten befolgt wird. Das wird eine massive Warnstreikwelle, die nicht vergleichbar sein wird mit dem, was bislang abgelaufen ist. Interview: Barbara Dribbusch

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