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Die Post geht nicht mehr ab

■ Postgewerkschaft hat 10.000 Beschäftigte in 50 großen Städten zum Warnstreik aufgerufen

Frankfurt/Main/Bonn (AFP) – Heute dürften viele Bundesbürger vergeblich auf ihre Briefe und Päckchen warten. In insgesamt 50 Städten sollte in der Nacht in einzelnen Postämtern der Verteilerdienst lahmgelegt werden. Die Streiks hatten gestern nachmittag in den fünf neuen Bundesländern begonnen und sollten ausgeweitet werden. Mit den massiven Streikmaßnahmen regierten die Postbediensteten auf das Scheitern der Verhandlungen um einen Sozialtarifvertrag, mit dem die sozialen Leistungen der Post auch über die Privatisierung hinaus gesichert werden sollten. Die Deutsche Postgewerkschaft (DPG) rechnet mit bis zu 10.000 Postlern, die sich an den Kampfmaßnahmen in 13 Bundesländern beteiligen. Von den Ausständen betroffen würden nach Angaben von Streikleiter Rolf Büttner Telekom, Postbank und Postdienst. Die Streiks würden so lange fortgesetzt, „bis die Arbeitgeber konstruktive Vorschläge vorlegen“. Derzeit herrsche zwischen DPG und Arbeitgebern „absolute Funkstille“. Die Verhandlungen der DPG mit den Arbeitgebern über die soziale Absicherung der rund 700.000 Beschäftigten nach der geplanten Privatisierung der Postunternehmen waren in der Nacht zu gestern in Bonn geplatzt. Beide Seiten gaben sich anschließend gegenseitig die Schuld. Ebenfalls in Bonn trat gestern morgen der Postausschuß des Bundestages zu einer weiteren Sondersitzung zusammen. In den Beratungen geht es um die gesetzliche Umsetzung der sogenannten Postreform II. Die dafür erforderliche Änderung des Grundgesetzes sollte ursprünglich am 29. Juni im Bundestag beschlossen werden. Bundespostminister Wolfgang Bötsch sieht inzwischen die Reform jedoch „ernsthaft auf der Kippe“. Er erklärte gestern, er sei im Augenblick skeptisch, daß die Reform noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden könne. Der stellvertretende Ausschußvorsitzende Elmar Müller (CDU) sagte in einer Verhandlungspause, die Politik solle sich aus dem Tarifstreit heraushalten. Er kritisierte, daß die SPD Gewerkschaftsforderungen aus den Tarifverhandlungen in letzter Minute als Anträge in die laufenden Beratungen des Ausschusses einbringe und davon ihre Zustimmung zu dem Gesetzespaket abhängig mache. Da die Postreform eine Grundgesetzänderung notwendig macht, ist die Zustimmung der SPD unabdingbar.

Der Verhandlungsführer der Postgewerkschaft, Günter Heidorn, hatte nach dem Scheitern der Gespräche in der Nacht kritisiert, nach den vorliegenden Papieren wollten die Arbeitgeber die Privatisierung dazu nutzen, „soziale Standards drastisch abzubauen“. Telekom-Verhandlungsführer Frerich Görts zeigte dagegen „völliges Unverständnis“ für das Vorgehen der DPG, die auf „Maximalforderungen“ beharre. Die Arbeitgeber hätten ein weitreichendes Angebot zur Konfliktlösung und zur Schadenbegrenzung vorgelegt.

Für Sonntag bot die DPG eine Notdienstvereinbarung an, damit die Briefwahlen zu Europa- beziehungsweise Kommunalwahlen möglichst ungestört verlaufen können. Seite 3

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