Zusammengefallen -betr.: "Keine Frauenpower", taz vom 30.5.94

Betr.: „Keine Frauenpower“, 30.5.94

Wiedereinmal 'ne dpa-Meldung abgeschrieben? Um welche Fundamentalisten soll es sich denn gehandelt haben, die nicht wieder in den Landesvorstand eingezogen sind? Blühender Unfug.

Was ist wirklich geschehen? Von zwei sozialdemokratischen Fraktionen ist eine nicht mehr im Landesvorstand vertreten. Der nicht wiedergewählte Thomas Littmann und der nicht gewählte Rainer Scheppelmann sind das, was Leute aus dem DKP/Stamokap-Spektrum schon seit jeher waren, die übelsten Sozialdemokraten (links blinken und rechts abbiegen). Befriedigend ist der Ausgang der Landesvorstandswahl insofern, daß die Undercover-Grüfos um den Erfolg ihrer Politik gebracht worden sind. Die andere Fraktion, die ZaS - zärtlich auch die Jusos der GAL genannt -, ist mit zwei Personen vertreten. Sie halten die Fahne der Linken hoch, so schlecht sie es eben können. Die Wahlen haben nichts verändert. Nur die Verhältnisse sind klarer. Die nächsten Koalitionsverhandlungen wird die GAL mit SPD oder CDU führen können.

Der große Schrei der Empörung wäre jedoch verfehlt. Tragisch ist nur, daß die Linke in der GAL einfach zusammengefallen ist und auch mittelfristig nicht mehr rekonstruierbar ist. Selbst der öffentliche Austritt aus den Grünen wäre eine lächerliche Pose, die nur noch das eigene Ego befriedigen soll. Man kann Mitglied bleiben, wie manche Christen Mitglied der Kirche bleiben, obwohl sie den Glauben verloren haben. Der Austritt hat bis auf den Mitgliedsbeitrag oder die Spendenbescheinigung keine Bedeutung mehr.

Den Grünen bei den bevorstehenden Wahlen seine Stimme zu kommen zu lassen, ist den individuellen taktischen Überlegungen anheimgestellt. Die Grünen sind ein Teil dessen, was in neudeutsch die politische Klasse heißt und nichts weiter ist als ein Synonym für den Begriff der herrschenden Klasse. Dies entspricht auch dem Wunsch der Mehrheit der Partei. Dieser Wechsel der politischen Ausrichtung hat nichts mit Putsch oder unlauteren Machenschaften zu tun, sondern beweist nur die Integrationskraft des Parlamentarismus. Kritik an den Verhältnissen wird in Zukunft immer mit dem Gütesiegel „konstruktiv“ versehen sein. Wem das nicht paßt, der sollte sich nicht in den Grünen engagieren. Thomas Dittberner