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■ Press-SchlagDream-Team kommt aus dem Iran

Mit dem überraschenden Sieg der polnischen Stand-Volleyballer endete die Weltmeisterschaft der behinderten Volleyballer in Bottrop. Das Team von Gora Zygmunt besiegte im Finale vor 1.200 ZuschauerInnen in der vollbesetzten städtischen Berufsschulhalle die bundesdeutsche Nationalmannschaft im Tie-Break des fünften Satzes.

Während sich Polens Trainer Zygmunt nach neun Jahren wieder über einen WM-Titel freuen konnte, war beim großen Favoriten nur Resignation zu spüren. Bundestrainer Athanasios Pappageorgiou: „Viele meiner Spieler sind mit dem Druck, vor eigenem Publikum gewinnen zu müssen, nicht fertig geworden.“ Der Biebesheimer Manfred Kohl kommentierte die Finalniederlage voller Ironie: „Eine Silbermedaille hatte ich noch nicht in meiner Sammlung.“

Theo Zühlsdorf, Vizepräsident des Deutschen Behinderten-Sportverbandes und in gleicher Funktion beim Weltverband der behinderten Volleyballer tätig, war nach Spielende etwas zwiegespalten: „Ich habe mir den Sieg unserer Mannschaft gewünscht, dennoch bin ich zufrieden, da das Finale die beste Werbung für den Behindertensport war.“

Die Bottroper WM hat den Volleyball-Funktionär Zühlsdorf in der Erkenntnis bestärkt, daß im Stand-Volleybereich mehr Nachwuchsarbeit geleistet werden muß. Denn hinter den beiden Finalgegnern Polen und Bundesrepublik klafft – sportlich gesehen – eine große Lücke. Jim McKenna, Coach der Briten, sieht ein weiteres Problem: „Hier in Bottrop sind mit den acht Mannschaften fast alle Teams angetreten, die es zur Zeit weltweit überhaupt noch gibt.“ Ohne gezielte Aufbauarbeit drohe die Sportart „auszusterben“.

Zwar keine „Nachwuchsprobleme“, aber Probleme ganz anderer Art gibt es bei den Sitz- Volleyballern. Mit der Mannschaft aus dem Iran, die im Finale die Norweger überlegen mit 3 : 0 Sätzen besiegte, gibt es seit Jahren ein „wahres Dream- Team“. Die Überlegenheit hat ihre Gründe: Rund eine Million Mark steht den iranischen Sitzvolleyballern, so Chef-Trainer Jaber Khlafzadeh, im Jahr zur Verfügung – eine Summe, von der die gegnerischen Mannschaften nur träumen können. Drei Monate vor großen Turnieren beginnen die Iraner mit mehreren Trainingslagern ihr Erfolgsteam zusammenzustellen. „Dabei trainieren wir täglich wenigstens sieben Stunden“, so Team-Manager Habib Banei. Für die ausgewählten und erfolgreichen Spieler, verrät er, lohnen sich diese Anstrengungen: Sollte es mit der Verteidigung des WM-Titels klappen, so erwarten sie behindertengerechte Wohnungen oder Fahrzeuge als Gewinnprämie: „Als Geschenk sind bei unseren Spielern auch Pilgerreisen zu den islamischen Wallfahrtsstätten beliebt.“

Von solchen Möglichkeiten kann Franz-Thomas Hartleb, Coach der DBS-Sitzvolleyballer, nur träumen. Ihm stehen gerade einmal 23.000 Mark jedes Jahr zur Verfügung. Den sechsten Platz (unter acht Mannschaften) kommentierte er nüchtern: „Mehr ist derzeit nicht drin.“ Für ihn gibt es nur einen Weg, um das bundesdeutsche Sitzvolleyball wieder leistungsstärker zu machen. „Wir müssen uns an den Niederlanden orientieren, wo die Teilnahme von Nichtbehinderten erlaubt ist.“

Mit diesem Modell können mehr Spieler gewonnen werden, was mit der dann ebenfalls steigenden Zahl von Turnieren mittelfristig zu einer Leistungssteigerung führen wird, so Hartlebs Überlegungen. Der langjährige Trainer der Niederländer, Jouke de Haan, unterstützt Hartleb: „Die vielbefürchtete Benachteiligung der Behinderten war jedenfalls bei uns nicht zu spüren.“

Ohnehin habe sich mit der Öffnung für Nichtbehinderte das Image des Sitz-Volleyballs geändert: „Wir sind weg aus der Behinderten-Ecke und haben jetzt den Ruf, eine eigenständige Sportart zu sein.“ DBS-Vizepräsident Zühlsdorf signalisierte in Bottrop Sympathie für den Weg der Niederländer: „Wir müssen jetzt reagieren, anderenfalls verlieren wir in dieser Sportart vollkommen den Anschluß an die Weltspitze.“

Neben den sportlichen Siegern aus Polen und dem Iran gab es mit der Stadt Bottrop als WM-Oranisator noch einen weiteren Gewinner. Die Bergbaustadt, die bis vor zwei Jahren mit dem „Deutschland-Cup“ das wichtigste Volleyball-Turnier des Deutschen Volleyball- Verbandes ausgetragen hatte, brachte sich mit der Behinderten-WM wieder als Veranstaltungsort ins Gespräch: „Wir haben selten so eine gute gemanagte Behindertensport-Veranstaltung erlebt wie hier“, so Athanasios Papageorgiou, Trainer der bundesdeutschen Stand- Volleyballer. Ralf Köpke

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