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Rechte und Rechtsextreme vorn

■ Erosionsprozeß aller Altparteien in Frankreich

In Frankreich hat die Stunde der Dissidenten geschlagen: Sowohl die konservativen Koalitionsparteien als auch die SozialistInnen verloren haushoch an AbweichlerInnen aus den eigenen Reihen, die sich mit Konkurrenzlisten für das Europaparlament selbständig gemacht hatten. Zusammen bekamen die Altparteien, die seit Jahrzehnten abwechselnd die Regierungen Frankreichs stellen, am Sonntag gerade noch 40 Prozent der Stimmen – 25,5 Prozent für die Union RPR–UDF von Rechtsliberalen und Neogaullisten und 14,5 für die SozialistInnen. Gewinner dieses Erosionsprozesses ist auf der linken Seite der in zahlreiche Korruptionsaffairen involvierte Unternehmer und populistische Selfmademan Bernard Tapie, dessen „Enérgie radicale“ 12 Prozent der Stimmen absahnte. Auf der rechten Seite bekam „l‘Autre Europe“ des Adelssprosses Bernard de Villiers mit einer Rückbesinnung auf den Nationalstaat und die Familie 12,3 Prozent.

Die Sozialistische Partei muß sich mit dem schlechtesten Ergebnis ihrer Geschichte auseinandersetzen. Vor gut einem Jahr, als sie ihre letzte schwere Niederlage einstecken und die Regierung abgeben mußte, hatte ihr Parteichef Michel Rocard noch zu einem big bang – einem Zusammenschluß der gesamten Linken – aufgerufen. Seit Sonntag gehen Rocards Aussichten auf die Nachfolge von François Mitterrand als französischer Staatspräsident gegen null.

Aber auch im bürgerlichen Lager müssen die Karten für die Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühjahr neu gemischt werden. Nachdem klar ist, daß die Skepsis der Franzosen gegen die Europäische Union stärker geworden ist, scheinen dort auch zwei konkurrierende konservative Präsidentschaftskandidaten möglich. Schon vor dem Referendum über die Maastrichter Verträge im Herbst 1992 hatte Unionsgegner de Villiers für ein „Nein“ Kampagne gemacht. Am Sonntag abend, gestärkt durch sein Abschneiden bei den Europawahlen, versuchte er es wieder: Er forderte die sofortige Neuverhandlung der „verheerenden“ Verträge.

Die beiden konkurrierenden französischen Öko-Parteien, die nicht in der Lage waren, eine gemeinsame Liste aufzustellen, verschwinden aus dem Europaparlament. Völlig unberührt von dem Erosionsprozeß ist allein die Front National. Die rechtsextreme und EU-feindliche Partei bekam 10,5 Prozent und blieb damit beinahe konstant. dora

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