: Neues von der Bilderfront
■ Zwei russische Kunsthistoriker haben in punkto „Beutekunst“ nachgeforscht
Zwar liegen nach wie vor die „Bremer Bilder“ unbeugsam in Rußland fest, aber jetzt weiß man wenigstens mehr über ihre Geschichte. Die Kunsthistoriker Grigorij Kozlov (Moskau) und Dr. Konstantin Akinscha (Kiew) haben sich im September 1993 als Stipendiaten der Bremischen Landesbank an die Arbeit gemacht; sie haben Archive umgegraben und Geheimpapiere aufgewirbelt, und gestern legten sie ihre ersten Ergebnisse der Presse vor.
Demnach hat die Sowjetunion schon 1943, kurz nach dem Durchbruch bei Stalingrad, die Verlagerung von Kulturgütern vorbereitet, um sich für die erlittenen Verluste ein wenig zu entschädigen. Eine eigene Kommission wurde gegründet, und noch nach Kriegsende geisterte die Vorstellung herum, man könne mit den erbeuteten Werken zwei riesenhafte „Supermuseen“ füllen: ein „Museum der Weltkultur“ und ein „Museum der Wissenschaft und Technik“.
Die nötigen Artikel wären schon vorhanden gewesen: Im Jahre 1957 summierte man überschlagsweise und kam auf 2.600.000 Kulturgüter. Nicht alle diese Schätze sind ordnungsgemäß beschlagnahmt worden, die Pressemitteilung der Kultursenatorin läßt es sich deshalb auch nicht nehmen, auf den „privaten Kunstraub durch Offiziere“ hinzuweisen. Auch dazu haben die beiden Historiker einiges zusammengetragen: Selbst der große Marschall Schukow habe, wie es heißt, 60 Werke an sich gebracht, ja er habe sogar, weil seine Tochter Geburtstag hatte, irgendeine Kaiserkrone einschmelzen lassen.
Dies alles unterlag bislang strengster Geheimhaltung. Nicht einmal der Umstand, daß schon 1959 über die Hälfte der Kriegsbeute, nämlich 1.500.000 Werke, der damaligen DDR zurückerstattet worden sind, drang an die Öffentlichkeit, „obwohl das für die Sowjetunion nur günstig gewesen wäre“, sagte Grigorij Kozlov.
Damit jetzt noch mehr Licht in die Sache kommt, hat sich die Bremer Landesbank entschlossen, das Stipendium der Kunsthistoriker um ein Jahr zu verlängern; die beiden sollen in Ruhe ihr geplantes Buch fertigschreiben. Sie sind da nicht ganz unerfahren: Ihre Veröffentlichungen in der amerikanischen Kunstzeitschrift „ARTnews“ im Jahre 1991 haben die ganze Geschichte um die verloren geglaubten Bilder erst ins Rollen gebracht.
Nun muß sie weiterrollen. Die Kultursenatorin Trüpel beklagte, wie auch die beiden Historiker, daß inzwischen in punkto Rückführung der Kunstschätze das Klima in Rußland ziemlich klamm geworden ist. Umso dringlicher forderte sie Fortschritte in der Sache: Die russische Seite solle „ihre Verhärtung aufgeben“, so wollte sie „an dieser Stelle deutlich appellieren“, ja sie sprach die „deutliche Bitte“ aus, „sich wieder anzunähern“, und äußerte abermals einen „dringenden Appell“ in dieser Angelegenheit. Man könne „gar nicht unterschätzen, was diese Frage für unsere gemeinsame Zukunft“ bedeute.
Immerhin folgt aber nun der ersten Sitzung der Großen Restitutionskommission vom März des Jahres eine zweite: am 29. und 30. Juni in Bonn. schak
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