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Stammtisch-Sparplan

■ FU-Biologen protestieren gegen Kahlschlagpläne des Wissenschaftssenators / Ganze Fachbereiche vor dem Aus

Gunnar H., Biologiestudent an der Freien Universität Berlin, schüttelt den Kopf. „Vollkommen absurd ist das, was der Wissenschaftssenator hier durchziehen will. Den Fachbereich Biologie zu schließen heißt letztendlich, daß ich nicht mehr in Berlin studieren kann.“ Die 400 StudentInnen des Fachbereiches waren sich auf der gestrigen Vollversammlung einig: Finanzeinsparungen auf dem Rücken der Studierenden auszutragen, ist mit ihnen nicht zu machen.

Die vom Senatskassenwart Elmar Pieroth vorgegebene Kürzung des Wissenschaftsetats um 135 Millionen Mark bis zum Jahre 2003 veranlaßt den Wissenschaftssenator Manfred Erhardt zu immer neuen, absurden Planspielen. Die Summe sei nur noch mit „strukturellen, auf bestimmte Fächer bezogene Einsparungen“ zu erbringen, ließ er in der letzten Woche verlauten.

Im Klartext bedeutet das: Ganze Fachbereiche sind zu schließen. Und dabei geht es in erster Linie um kostenträchtige, große Fächer. In einem zunächst vertraulichen, inzwischen aber bekanntgemachten Brief an den Regierenden Bürgermeister bringt der Senator die Sache auf den Punkt: Die Fächer Biologie, Ethnologie, Evangelische Theologie, Geographie, Indologie, Klassische Archäologie und Veterinärmedizin an der Freien Universität seien aufzugeben. An der Humboldt-Universität betrifft die Sparpolitik die Pharmazie, die Agrarwissenschaften und die Chemie. Auch die Technische Universität kommt nicht ungeschoren davon. Hier sollen die Lebensmitteltechnologie, die Lehrerbildung und das Institut für Biologie ihre Türen schließen.

Den Mammutanteil der kommenden Kürzungen soll vor allem die Freie Universität tragen. Dabei waren hier die Kürzungen in den letzten zwei Jahren bereits enorm. 200 Millionen weniger standen dem Hochschuletat in den letzten zwei Jahren zur Verfügung. In den kommenden zehn Jahren sind 10.000 Studienplätze einzusparen. Das bedeutet: eine Reduzierung von 25 Prozent der Ausbildungskapazität, hinzu kommt noch eine Einsparung von 75 Millionen Mark durch Personalabbau.

Hans-Joachim Pflüger, Dekan des Fachbereiches Biologie, sieht die nun geplante Streichung ganzer Fachbereiche als deutliches Zeichen für ein bildungspolitisches Chaos in der Senatsverwaltung. „Die Entscheidung, unseren Fachbereich zu schließen, kann nur durch Zuruf am Stammtisch der Senatoren zustandegekommen sein.“ Denn der Hochschulstrukturplan vom vergangenen Jahr hatte eindeutig vorgesehen, die Biologie an zwei Universitäten der Stadt zu erhalten, an der FU sowie an der Ostberliner Humboldt-Uni. Eine Konkurrenzsituation, die der wissenschaftlichen Entwicklung nur förderlich sein kann.

Die nun angedachte Schließung der Biologie an der Freien Uni aber würde bedeuten, daß 1.800 eingeschriebene StudentInnen an die Ostberliner Hochschule wechseln müßten. Diese kann einem solchen Ansturm nicht gerecht werden, denn sie verfügt nur über ein Viertel der vergleichbaren Ausbildungskapazität. Im Abgeordnetenhaus herrsche wohl die Auffassung, so der Dekan der Biologie, daß die einfachste Art zu sparen das Auswechseln von Türschildern sei. „Anstatt FU steht bei uns dann Humboldt-Uni drauf.“ Die Vertreter des AStA bringen die geplante Entwicklung auf den Punkt: „Die Schreckensvision einiger Studierender scheint langsam Wirklichkeit zu werden – eine kleine geistes- und sozialwissenschaftliche Hochschule in Dahlem, die ohne Naturwissenschaften und ohne Randfächer den Namen Universität nicht mehr verdient.“ Anja Nitzsche

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