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Kalkar-Plutonium nach Rußland

RWE will die plutoniumhaltigen Brennelemente für den schnellen Brüter jetzt an den unfallträchtigen Atombrüter Belojarsk verkaufen  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Die RWE AG plant, die plutoniumhaltige Altlast ihres nie in Betrieb genommenen schnellen Brüters in Kalkar in Rußland endgültig loszuwerden. 123 aus Uran und Plutonium bestehende Mox-Brennelemente, die der Essener Stromkonzern einst für Kalkar fertigen ließ, sollen nach Belojarsk gebracht werden. Das erklärte Nikolai Oschankow, der Chefingenieur des schnellen Brüters im südrussischen Belojarsk, den Umweltschützern von Greenpeace. „Das war nicht unsere Initiative, sondern sie kam von den deutschen Fachleuten.“

Verhandelt werde mit der zuständigen RWE-Tochter Schnelle- Brüter-Kernkraftwerksgesellschaft (SBK) und mit Siemens. Ein RWE-Sprecher bestätigte die Kontakte: „Die Gespräche sind aber in keinem entscheidenden Stadium.“ Kontakte gebe es auch zu den Betreibern des japanischen Brüters in Monju. Außerdem werde die Wiederaufarbeitung und die direkte Endlagerung der Brennelemente erwogen.

Derzeit lagern die Brennelemente mit ihren 1,2 Tonnen Plutonium noch im sogenannten Bundesbunker in Hanau. Nachdem 1991 klar war, daß der Brüter in Kalkar nie in Betrieb gehen würde, hatte die RWE-Tochter SBK (RWE-Beteiligung: 67 Prozent) zunächst versucht, die Brennelemente mit ein Plutoniumanteil von 40 Prozent nach Dounreay in Schottland zu bringen. In Belgien gefertigte Brüter-Brennelemte waren schon 1991 in die schottische Atomfabrik geflogen worden. Die SBK mietete nach Greenpeace- Angaben sogar für 1,2 Millionen Mark Lagerfläche in Dounreay.

Doch dann ergaben sich immer neue Hindernisse für den Transport nach Schottland. Trotz bestehender Genehmigungen der Bundesregierung formierte sich erheblicher Widerstand gegen einen Flugzeugtransport des Plutoniums. Die hessische Landesregierung wollte einen Flug mit 1,2 Tonnen des Teufelszeugs an Bord vom Flughafen Frankfurt/Main aus nicht dulden. Und auch bei dem in Rheinland-Pfalz gelegenen Ausweichflughafen Pferdsfeld reagierten die Lokal- und Landespolitiker mit Ablehnung.

Zweitens waren die Brennelemente im Hanauer Bundesbunker bei einem Atomunfall bei Siemens im gleichen Gebäude verstrahlt worden. Die Brennelemente durften zunächst so verstrahlt nicht transportiert werden. Reinigen konnte man sie aber auch nicht, weil die Anlage bei Siemens seit dem Unfall 1991 stilliegt.

Jetzt sollen sie also womöglich nach Belojarsk. Die Betreiber des dortigen schnellen Brüters freuen sich. Chefingenieur Oschankow erklärte Greenpeace: „Die deutsche Seite liefert uns die Brennelemente, wir verwenden sie in unserem Reaktor. Und mit unserer Technologie würden wir schließlich die abgebrannten Brennelemente weiterverarbeiten.“ Die Wiederaufarbeitung soll in der maroden Atomfabrik Majak bei Tscheljabinsk im Südural stattfinden.

Auch Oschankow bestätigt, daß die Verträge noch nicht unter Dach und Fach seien. Die Verantwortung für etwaige Unfälle sei noch nicht geklärt. Außerdem müsse man in Belojarsk für die deutschen Brennelemente einiges umbauen. Unklar sei, wer für den Umbau bezahlt. „Nachdem wir die deutschen Brennelemente verarbeitet hätten, bräuchten wir den Umbau nicht mehr“, erklärte Oschankow.

Greenpeace bezeichnete die geplante Verschiebung des Plutoniums gestern als absolut unverantwortlich. In dem 14 Jahre alten Brüter BN-600 in Belojarsk habe es erst im Oktober und Mai nach Lecks im Kühlkreislauf gebrannt. Dabei sei jedesmal Radioaktivität frei geworden. Und in Majak ist bis 1992 Plutonium für das sowjetische/russische Atomwaffenprogramm produziert worden. 1957 kamn es in dem Werk zu einer Explosion eines Atommüllbehälters. Tausende von Quadratkilometern Land wurden radioaktiv verseucht, mehrere hunderttausend Menschen verstrahlt.

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