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Bluter sterben, Ex-Minister sprechen

Ex-Gesundheitsminister sagen vor dem Aids-Untersuchungsausschuß aus / Bluter haben kaum Chancen auf Entschädigungen / Verhinderten Vertreter der FDP ein wirksames Haftungsrecht?  ■ Von Hans Monath

Bonn (taz) – Die höchsten Entscheidungsträger des deutschen Gesundheitssystems mußten gestern vor dem Aids-Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages in Bonn darlegen, warum die Gefahr einer Virusinfektion durch Blut und Blutprodukte in der Bundesrepublik unverhältnismäßig lange unterschätzt wurde und Gegenmaßnahmen unterblieben. Alle fünf Gesundheitsminister von Katharina Focke bis zu Horst Seehofer waren zur Klärung der Frage geladen, wer für die HIV-Infektion von mehr als 2.000 Menschen durch Blutprodukte in der Bundesrepublik Deutschland Verantwortung trägt.

Das geltende Haftungsrecht des Arzneimittelgesetzes macht es den Geschädigten heute schwer, ihre Ansprüche gegen die Hersteller der verseuchten Blutprodukte durchzusetzen. Wer mit HIV infiziert ist, muß nachweisen, daß dies durch ein bestimmtes Präparat eines bestimmten Herstellers geschah – ein aussichtsloses Unterfangen angesichts der üblichen Praxis, Bluter mit Produkten verschiedener Hersteller zu behandeln.

Aber auch dieses mangelhafte, Mitte der 70er verabschiedete Arzneimittelgesetz, war nur nach schweren Kämpfen gegen die pharmazeutische Industrie und ihre politischen Helfer durchzusetzen, wie sich die heute 72jährige Katharina Focke erinnerte, die in den Jahren 1972 bis 1976 als Ministerin für Jugend, Familie und Gesundheit amtierte. „Das Gesetz“, so erklärte sie dem Ausschuß, „stieß auf außerordentlichen Widerstand von wirtschaftlichen Interessen, die auch von der FDP bis hinein ins Kabinett gestützt wurden.“

In der Amtszeit von Antje Huber (1976-82) hatten Wissenschaftler die Aidsgefahr erkannt. Der Direktor des Robert-Koch-Instituts am Bundesgesundheitsamt erarbeitete 1979 veröffentlichte Ratschläge zu Einschränkungen im Umgang mit Blutprodukten, deren Befolgung allen heute Infizierten das Leben gerettet hätte. Er warnte folgenlos. Die damalige Ministerin gestern vor dem Ausschuß: „Ich erinnere mich nicht, daß ich damit konfrontiert wurde.“

Die ehemaligen Minister Heiner Geißler und Rita Süssmuth waren geladen, da nach dem monatelangen Studium der Akten und dem Anhören der Zeugen bei der Mehrheit im Ausschuß die Auffassung vorherrscht, daß auch der heutige stellvertretende CDU- Vorsitzende und die Bundestagspräsidentin bei der Einschätzung der Gefahr durch den Virus und bei der Bewertung der Gegenmaßnahmen große Fehler gemacht und sich in ihrer Amtszeit um die Opfer wenig gekümmert haben.

Rita Süssmuth mußte sich denn auch vorhalten lassen, daß sie 1987 Fehlinformationen über die Gefahr von Aids nach außen gab, die vom Stand des Wissens denkbar weit entfernt waren. In einer von ihr unterzeichneten Hauswurfsendung versicherte die Ministerin nämlich, daß Blut praktisch sicher sei.

Der Abschlußbericht des Ausschusses soll im September vorliegen. Auf ihn stützen sich die Empfehlungen, die sich in erster Linie um Hilfe für die Betroffenen bemühen sollen. Aus den Erkenntnissen sollen auch Vorschläge für die Überarbeitung des Arzneimittelgesetzes und seiner haftungsrechtlichen Bestimmungen erarbeitet werden. Schließlich wird es auch um Anregungen für eine andere Organisation zur Gefahrenerkennung und -abwehr durch das Arzneimittel gehen, da im Laufe der Arbeit hier eklatante Mißstände erkannt worden sind.

Nicht nur der Einfluß knallharter wirtschaftlicher Interessen auf die Gesundheitspolitik und die Fehleinschätzungen von sogenannten Koryphäen sind bislang im Ausschuß zur Sprache gekommen. Auch andere Hindernisse taten sich auf. So etwa, wenn Gesundheitsminister Geißler einen an ihn gerichteten Brief erst nach vier Monaten erhielt, weil ein Referent im eigenen Haus dem Vorschlag deutscher Wissenschaftler wenig Bedeutung beimaß, einen eigenen Aids-Test zu entwickeln.

Angesichts solchen beamteten Arbeitseifers fühlte sich der Ausschußvorsitzende Gerhard Scheu (CSU) an einen bewährten Verwaltungsgrundsatz seiner fränkischen Heimat erinnert. Der lautet: „Des ham mer gleich, da mach mer gar nix.“

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