Alte Herren statt A-Jugend

■ Warum die deutsche Mannschaft keine Chance hat, Weltmeister zu werden

Eine Fußball-Weltmeisterschaft zu gewinnen, ist nicht ganz einfach. Man benötigt einen einigermaßen bei Sinnen befindlichen Trainer, eine erkleckliche Anzahl sehr guter und ein paar exzellente Spieler, die sich möglichst gerade in ihrer Blütezeit befinden, die richtigen Gegner und eine ordentliche Portion Glück. Das perfekte Zusammenspiel all dieser Faktoren ist schon bei einer einzigen Weltmeisterschaft selten, noch seltener aber bei zwei WM-Turnieren hintereinander. Nur einmal seit 1950 hat ein Team seinen Titel erfolgreich verteidigt, Brasilien 1962 in Chile, was vor allem an der schwachen Konkurrenz lag und an einem kleinen krummbeinigen Stürmer namens Garrincha.

Alle anderen Weltmeister scheiterten beim nächsten Turnier, und alle machten sie den gleichen Fehler. Kleinmütige Trainer dachten voller Naivität, wer einmal gesiegt hat, der siegt auch das nächste Mal, bauten ihre Teams um jene Akteure auf, die maßgeblichen Anteil am Titelgewinn gehabt hatten, und vergaßen, daß diese vier Jahre älter geworden waren.

Nie ist seit 1958 eine Mannschaft Weltmeister geworden, deren Leistungsträger älter als 30 waren. 1958 stürmten die Brasilianer mit ihren Angreifern Garrincha (25), Vava (24), Didi (29) und Pelé (17) alles in Grund und Boden. 1966 hielt ein 25jähriger Bobby Moore die Abwehr der Engländer zusammen, Nobby Stiles (24) versuchte, die Gegner auszurotten, Geoff Hurst (24) pflegte den Ball so vehement an die Latte zu donnern, daß den Linienrichtern Hören und Sehen verging, und allein der geniale Regisseur Bobby Charlton war mit 30 Lenzen schon etwas älter. Als dieselben Leute 1970 in Mexiko aufliefen, machten sie im Viertelfinale gegen die Deutschen kläglich schlapp. Dort begeisterten bei den brasilianischen Siegern neben Pelé (29) vor allem Jairzinho (26), Rivelino (24) und Carlos Alberto (25), die sich vier Jahre später in der BRD nur noch durch äußerst rüdes Spiel der Gegnerschaft erwehren konnten und nicht ins Finale kamen.

Relativ alt die Champions von 1974: Beckenbauer (28), Vogts (27), Müller (28), Maier (30), Hölzenbein (28), Overath (30), immerhin ergänzt durch 22jährige Springinsfelde wie Bonhof, Breitner und Hoeneß. Die Argentinier, die 1978 mit ihrem wildwütigen Angriffsfußball triumphierten, als da wären Kempes (23), Ardiles (25), Passarella (25), Bertoni (23), waren 1982 in Spanien nicht einmal mehr durch den jugendlichen Maradona zu retten, während die dort erfolgreichen Italiener um Cabrini (24), Tardelli (27), Rossi (25), Scirea (29) und Altobelli (26) vier Jahre darauf in Mexiko kläglich untergingen. Der 25jährige Maradona war dort mit seinen Kompagnons Burruchaga (23) und Ruggeri (24) auf dem Zenit seines Könnens; was ihm 1990 in Italien widerfuhr, ist sattsam bekannt. Dort gewannen die Deutschen mit Buchwald (29), Brehme (29), Matthäus (29), Völler (30), Klinsmann (25), Berthold (25), Häßler (24). Darüber, wen Berti Vogts jetzt mit in die USA geschleppt hat, ist wahrlich mehr als genug gewitzelt worden. Von den noch Aktiven fehlt nur Littbarski, der spottete, er bereite sich für 1998 vor. Und daß Klaus Augenthaler bereitsteht, falls Matthäus in Chicago einem Holländer oder einem Frauen-Volleyballteam begegnet, wurde auch nicht nachhaltig dementiert.

Mit einem Durchschnittsalter von 27,3 Jahren haben die Deutschen zwar nicht den ältesten Kader, aber sie sind die einzigen, die keinen Spieler unter 25 dabeihaben und bei denen selbst Neulinge wie Basler (25), Wagner (26), Gaudino (27) und (hihi!) Kuntz (31) schon alte Kämpen sind. Von einer erfolgreichen Titelverteidigung kann so natürlich keine Rede sein, die taz tippt: Spätestens im Viertelfinale ist Matthäus hinüber.

Ältester Spieler der WM ist natürlich Kameruns Roger Milla (42), auf den sich der FußballGourmet schon freut. 25 Jahre jünger ist Brasiliens Ronaldo, der das Zeug hat, in die Fußstapfen Pelés zu treten, wenn sein Trainer den Mut besitzt, ihn aufzustellen. Ergo: Brasilien wird Weltmeister. Matti Lieske, Washington