Andersrum: Gleitgel sprudelt aus den Brunnen
■ Ein utopischer Rundgang durch das schwullesbische Bremen
Ein Sonntagabend an der Theke des Frauenkulturhauses. Nur mal so in den Raum gefragt: „Wie sähe Bremen aus, wenn es eine schwullesbische Stadt wäre?“ Hm. Schweigen. „So ganz?“ Naja. „Also, erstmal wären überall ganz viele Lesben- und Schwulenkneipen. Und keine dunklen Parkhäuser mehr — stattdessen Frauenparkplätze.“ Protest regt sich: „So'n Quatsch, die brauchst du doch gar nicht mehr. Die Menschen wären einfach anders drauf - freundlicher, offener, nicht so verkniffen und ängstlich. Für niemanden wäre die Art und Weise, wie er lebt, eine Bedrohung.“
Wie sähen sie denn aus, die Menschen? „Androgyn. Bei mir alle total androgyn. Damit es wurscht ist, ob du zu einer bestimmten Gruppe gezählt wirst. Wichtig ist nur, wer du bist.“ Und bei manchen Menschen haben sich neue Geschlechtsorgane herausgebildet, multifunktional...
Leben denn noch Heteros in dieser Stadt? „Nee.“ - „Doch, klar: Und es guckt auch niemand komisch, wenn ein Mann und eine Frau sich auf der Straße küssen.“ Kinder? „Lesben und Schwule tun sich eben zusammen, wenn sie Kinder wollen. Und es gibt ganz viele lesbische und schwule Kleinfamilien.“ — „Also, bei mir leben die meisten in großen Interessensgemeinschaften - ein paar Jahre mit KünstlerInnen, dann hast du mit deinen MitbewohnerInnen eine eigene Firma...“ Und überall öffentliche Wohnzimmer.
„Alle paar Jahre kann man den Job wechseln - ist nicht so festgelegt auf einen Beruf.“ Letztes Jahr noch Gehirnchirurgin, dieses Jahr Putzfrau? „Der Beruf der Putzfrau wird sowieso abgeschafft! Jeder kümmert sich um seinen eigenen Dreck!
Wir einigen uns darauf, der Wissenschaft in demokratischen Abstimmungsprozessen vorzugeben, was sie jeweils im nächsten Jahr erforschen soll. Gentechnik ja, „aber alles nur zum Wohle der Menschen eingesetzt.“ „Also, in meiner Utopie stehen an den Straßenecken Latexkomposter.“ - „Die Werbung wäre ganz anders!“ - „Das Leben findet überhaupt viel mehr auf der Straße statt!“ In Bremen? „Na ja, auf unerklärliche Weise hält sich seit Jahren ein Hoch über der Stadt...“ Die schwullesbische Variante von Mikroklima also. „Und die Außenwelt spioniert ständig, weil da alles zusammenbricht.“ Haben wir eine Mauer gebaut? „Och, warum nicht...“ Niemand braucht Geld! Alle teilen sich alles! Gleitgel sprudelt aus den Brunnen! „Schreibst du das jetzt alles?“ Hm, mal sehen... skai
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