■ Mit Sozio-Sponsoring auf du und du: Aids-Hilfe fürs Image
Seit die öffentlichen Fleischtöpfe auf Magerkost umgestellt werden, sind auch die Aids-Hilfe-Projekte immer mehr auf zusätzliche Geldspritzen aus privater Hand angewiesen. Was in Sport und Kultur längst selbstverständlich geworden ist, das Sponsoring durch Unternehmen, könnte angesichts von Sozialabbau künftig auch für Projekte im sozialen Bereich an Bedeutung gewinnen. Sozio-Sponsoring heißt die neuartige Masche der Geldakquise. Die Idee stammt aus den sozialstaatlich unterbelichteten USA. Hierzulande steckt das soziale Engagement seitens der Privatwirtschaft und dessen Vermarktung noch in den Kinderschuhen.
Die Berliner Aids-Hilfe (BAH) war vor drei Jahren eines der ersten Projekte, die sich auf Sozio-Sponsoring einließen. Mit der Computersoftwarefirma PSI besiegelte sie einen unbefristeten Vertrag, der ihr jährliche feste Zuwendungen (1994: 450.000 Mark) garantiert. Finanziert werden damit ausschließlich Aktivitäten und Angebote für Infizierte und Erkrankte, die aus der staatlichen Förderung rausfallen. Hintergrund dabei: Private Sponsorgelder sollen dem Staat keinen Vorwand liefern, sich aus der sozialpolitischen Verantwortung zu stehlen. Die Förderung umfaßt Workshops, Seminare, Patientenreisen und Veranstaltungen ebenso wie etwa ein Patientencafé in einer Aids- Schwerpunktklinik oder die Bereitstellung von Telefon oder TV für sozial schwache Patienten. Im Gegenzug erhält PSI das Recht, sein soziales Engagement an die große Glocke zu hängen. „Einen Vertrag“, so BAH-Geschäftsführer Frank Lehmann, „der uns zu wandelnden Litfaßsäulen gemacht hätte, hätten wir nie unterschrieben.“ So prangt das PSI-Logo lediglich am gesponserten Transportbus, taucht der Firmenname hin und wieder in Pressetexten oder bei öffentlichen Veranstaltungen auf. Einzige handfeste Verpflichtung: die BAH muß bei der Computermesse CeBit mit einem Infostand Präsenz zeigen.
Die Computerfirma verspricht sich vom Sponsoring der BAH einen Imagetransfer. „Gerade weil alle anderen aus Berührungsängsten lieber Sport und Kultur sponsoren, haben wir uns bewußt für den Aids- Bereich entschieden, um innovative Akzente zu setzen“, erklärt PSI-Sprecherin Sylvia Diemel, „selbstverständlich erhoffen wir uns durch den Imagezuwachs einen Wettbewerbsvorsprung.“
Was gut klingt, hat bislang jedoch, abgesehen von einmaligen Sponsorvorhaben zugunsten anderer Aids-Hilfe-Gruppen, keine Nachahmer gefunden. Unisono sehen BAH und PSI im Steuerrecht die entscheidende Fußfessel. Während der Sponsor seine Peanuts absetzen kann, muß der Empfänger eine gesalzene Körperschaftssteuer (bis zu 46 Prozent) ans Finanzamt abdrücken. Denn der Fiskus unterscheidet nicht zwischen den Werbemillionen für den Bundesligaverein und dem Sponsoring der gemeinnützigen Aids-Hilfe. Vor dem Finanzamt sind alle Werbeträger gleich. Alles über einen Kamm zu scheren findet Sylvia Diemel schlicht „absurd“. Dabei müßte doch gerade das Sozio-Sponsoring bei den sozialpolitischen Flurbereinigern von FDP und Union auf fruchtbaren Boden fallen. Jürgen Bieniek
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