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Homo-Standort Deutschland

Schwul-lesbische UnternehmerInnenverbände in Köln und München wollen nach US-Vorbild die Gay Community durch Wirtschaftspower stärken  ■ Von Jürgen Bieniek

Wenn man Ende der 70er Jahre im Homo-Ghetto San Franciscos rund um die Castro Street einkaufen ging, wanderte mit dem Wechselgeld hin und wieder ein gay Dollarschein in die Geldbörse. Mit der Aufwertung des Dollars durch den Stempel „gay“ sollte sichtbar werden, daß Homosexuelle auch wirtschaftlich etwas zu melden haben. Solche „Schein“gefechte sind heute nicht mehr nötig. In vielen Großstädten der USA hat sich schwul-lesbische Wirtschaftskraft längst machtvoll organisiert.

Mit der üblichen Verspätung faßt die Emanzipation homosexueller UnternehmerInnen am Wirtschaftsstandort Deutschland Fuß. Nach dem Vorbild der amerikanischen „Gay and Lesbian Business Guilds“ haben sich in Köln und München Gewerbetreibende zusammengeschlossen. Dem vor zwei Jahren gegründeten „Kölner Arbeitskreis schwuler und lesbischer UnternehmerInnen“ gehören inzwischen siebzig Unternehmen an. Geschätzter Jahresumsatz 1993: 200 Millionen Mark.

Mit „Schwung“, der „Schwul- lesbischen Unternehmergruppe“, zogen die Münchener vor einem Jahr nach. Anders als in Köln, wo nur wenige Lesben mitmischen, sind sie bei Schwung stärker präsent. Knapp fünfzig Gewerbetreibende, von der Transportunternehmerin bis bis zum Zahnarzt, haben sich hier organisiert und bringen etwa 100 Millionen Mark in die Kassen.

Getrennt kassieren, aber gemeinsam agieren – dieses Leitmotiv haben sich beide Vereinigungen auf ihre Firmenschilder geheftet. „Umsatzförderung ist ganz klar unser Ziel“, sagt Michael Gentschy, Herausgeber des Branchenführers „Rosa Seiten“ und Schwung-Initiator. Weitere Anliegen: Vernetzung, gemeinsame Werbung, Mitgestaltung des schwul-lesbischen Lebens der Stadt, Unterstützung von Projekten sowie Interessenvertretung gegenüber Politik und Verbänden. Kurzum: Stärkung der Gay Community über Wirtschaftspower.

Und wie reagiert die gern zitierte „Homo-Gemeinde“ auf das „Coming Cash“ der Geschäftsleute? Aus Köln weiß Rigobert Strassberger, Vorsitzender des dortigen Wirtschaftsklubs, keine negativen Erfahrungen zu berichten. „Die Bewegung ist viel pragmatischer geworden“, so sein Eindruck. „Statt Grundsatzdiskussionen wird heute eher etwas auf die Beine gestellt.“

Von anfänglichem Mißtrauen einiger „Altbewegungsschwestern“ waren hingegen die Münchener Erfahrungen geprägt, berichtet Michael Gentschy. „Erst als die gemerkt haben, daß einzelne Gruppen von unserem Zusammenschluß profitieren, wurden wir auch ernst genommen.“ Die Organisation des diesjährigen Christopher Street Days (CSD) zum Beispiel, die Unterstützung der Aids- Hilfe oder die Wahlkampfhilfe für die Rosa Liste zur Stadtratswahl verbucht Gentschy auf der Habenseite. Geplant: der Erwerb einer Immobilie für ein Schwulen- und Lesbenzentrum sowie ein Aids- Hospiz. In Köln wird derweil an die nähere Zukunft gedacht. „Bei den Kommunalwahlen im Oktober wollen wir über das Pushen von KandidatInnen mehr in die Politik eingreifen“, kündigt Strassberger an.

Zumindest bei der Industrie- und Handelskammer haben beide Vereinigungen bereits für Wirbel gesorgt. „Irritiert bis aufgescheucht“ reagierte die IHK Köln auf den Wunsch nach Kooperation. Eine Anzeige von Schwung im Münchner IHK- Blatt wurde abgelehnt. Begründung: Mit „extremen Randgruppen“ wolle man nichts zu tun haben.

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