Ratlos beim Ratschlag

■ Die „Frauen Anstiftung e.V.“ tagte

Frankfurt/M. (taz) – Was da am Wochenende im Frankfurter Kulturhaus summte, war nur der Chor im Nachbarraum, nicht ein „Wespennest“, das eine Teilnehmerin hinter dem harm- und ratlosen Tagungstitel „Frauen anstiften – wozu und wie?“ vermutet hatte. Zum ersten gemeinsamen Ratschlag hatten sich grüne Politikerinnen und Mitarbeiterinnen der seit fünf Jahren existierenden, dreigeteilten grünennahen Regenbogenstiftung zusammengefunden. Die „Frauen Anstiftung e.V.“ (FAS) fördert mit ihrem Jahresetat von sieben bis acht Millionen Mark vor allem politische Bildungsprojekte in der Dritten Welt, in Osteuropa und in den neuen Bundesländern. Dazu gehören ein Frauenhaus in Korea, ein brasilianisches Frauenradio und ein Medienprojekt in Uruguay. Dieser Erfolgsbilanz stehe, meinten die FAS-Frauen, eine innenpolitische Mangelsituation gegenüber. Basispolitische und autonome Frauen in der FAS hatten sich bisher gegenüber Bündnis 90/Die Grünen eher zurückhaltend gezeigt, Grüne wiederum den Stiftungsgedanken abgelehnt. Dörthe Jung, im Vorstand der Regenbogenstiftung, stellte fest, daß die Furcht vor einem „Zuviel an Partei“ und Bezugnahme auf deren Politik im Lauf der Jahre zu einem „Zuwenig“ geführt habe. Frauenprojekte seien zu sehr in ihre Alltagsarbeit verstrickt, nähmen zu wenig Einfluß auf die Politik, Politikerinnen wiederum stellten keine oder zuwenig Anforderungen an die Stiftung. Sie bot das FAS als „Freiraum zum Nachdenken und Reflektieren“ an.

Daß dieser Bedarf eigentlich besteht, aus Zeitmangel aber oft zu kurz kommt, konstatierte die Europaabgeordnete Birgit Cramon- Daiber. Sie ahnte voraus, daß die Umsetzung des neuen Zauberwortes „Vernetzung“ im Angesicht der divergierenden Vielfalt der Interessen von Frauen schwierig sein werde: „Parteienloyalität ist etwas unglaublich Starkes.“ Hier könne, schlugen die grünen Frauen mit Blick auf ihre wahlkampfgefüllten Terminkalender vor, „weniger mehr sein“: „Lieber zwei öffentlichkeitswirksame Kongresse als viele kleine Seminare.“ Sie plädierten für parteiübergreifende Fraueninitiativen in der Politik.

Das anfangs vage Treffen verdichtete sich in den letzten Stunden zur konzentrierten Diskussion um die Begriffe „Utopie“ und „Demokratie“. Dörthe Jung hatte eine kritische Auseinandersetzung der Frauen mit dem bestehenden Gesellschaftsmodell gefordert, nachdem die Utopie, Frauenpolitik führe zwangsläufig zu einer „anderen, irgendwie besseren Gesellschaft“, sich als obsolet erwiesen habe: „Wir haben uns um den Dreck in unserer Gesellschaft nicht gekümmert.“ In Zeiten von Umstrukturierung und Krise sei Einmischung notwendig: „Wir dürfen das nicht VW überlassen.“ Demokratie, so Cramon-Daiber, dürfe nicht zum „Füllwort“ für verlorene Visionen werden: „Wir haben sie nie geliebt, aber wir müssen um sie kämpfen.“ Heide Platen