Sprint in die Medienzukunft

Die Telekom steigt in einen globalen Multimedia-Verbund ein: weltweite Datenleitungen, interaktives Fernsehen und Pay-TV  ■ Von Ulla Küspert

Hamburg (taz) – „In der postindustriellen Gesellschaft von morgen haben Kommunikations- und Informationsstrukturen Rohstoffcharakter“, schrieb der oberste Bertelsmann, Mark Wössner, in einem programmatischen Artikel im Offenburger Tageblatt. Zu deren Ausbeutung sei schon beim Aufbau interaktiver Dienstleistungen „eine frühzeitige Mitwirkung deutscher Unternehmen notwendig, um heute in Europa zukunftsträchtige Märkte zu besetzen und auf Dauer dem amerikanischen Expansionsdruck widerstehen zu können.“

Der jüngste Coup der Bertelsmann freundschaftlich verbundenen Deutschen Telekom ist die exakte Umsetzung von Wössners Forderung. Denn als der deutsche Telekommunikations-Monopolist (mit 60 Milliarden Mark Umsatz in Europa Branchenführer, weltweit nach NTT/Japan und At&T/USA drittgrößter Kommunikationstransporter) vergangene Woche kundtat, sich zusammen mit France Télécom (die europäische Nummer zwei) für sieben Milliarden Mark in den drittgrößten amerikanischen Fernnetz-Telefon- Konzern Sprint Corporation einzukaufen, war das nicht nur in der deutschen Wirtschaftsgeschichte eine beispiellose Operation.

Die transatlantische Verbindung, die über drei gemeinsame Joint-venture-Gesellschaften praktisch aus dem Stand ein weltwweites Netz für Datentransport aufzuziehen gedenkt, markiert darüber hinaus einen qualitativen Sprung im Kommunikations- und Medienbusiness. Erstmals wird dadurch nämlich ein globaler Multimedia-Verbund komplett, der die entscheidenden innovativen Technologien für die hauptsächlich für die Wirtschaft bedeutsame Super- Datenautobahn bündelt. Zudem wird der Verbund durch die Verbindung mit Medienkonzernen über hinreichend Programm-Substanz für das „interaktive Fernsehen“ verfügen. Das Firmengeflecht der Netzwerk-Mitglieder mit all ihren nationalen und internationalen Beteiligungen – darunter auch die Satelliten-Fürsten Eurosat und SES/Astra, bei der die Deutsche Telekom gerade mit 25 Prozent einstieg – repräsentiert jetzt schon ein Umsatzvolumen von mehr als 200 Milliarden Mark.

Um bei dem Jahrtausend-Deal nicht etwa an den Kartellvorschriften zu scheitern, so Telekom-Sprecher Schawinksi, habe man die Rechtslage zuvor abgeklopft und daher von einer Beteiligung beispielsweise am US-Marktführer AT&T Abstand genommen.

Vorausgegangen waren in den vergangenen Monaten einige andere „strategische Allianzen“. Zuletzt vergangenen Monat in Gestalt der Media Service GmbH mit Sitz in Berlin als Schnittstelle mit der Medienindustrie. Für deren Stammkapital von 200 Millionen Mark legen zu gleichen Teilen der zweitgrößte Medienkonzern der Welt, die Gütersloher Bertelsmann AG, die Kirch-Gruppe (Nummer 72 auf der Weltrangliste der Medienkonzerne und gleichzeitig Großaktionär von Nummer 38, der Axel Springer AG), und die Deutsche Telekom zusammen.

Die Media Service GmbH könnte, allein auf Deutschland bezogen, bereits als Multimedia-Verbund angesehen werden. Allerdings ist ihr Geschäftsgegenstand zunächst nur logistischer Natur: Sie soll für künftige Pay-TV-Programme Dekodier-Systeme bereitstellen sowie TV-Veranstaltern Abrechnung und Kundenbetreuung als Dienstleistung verkaufen.

Wunschpartner der neuen Telekom/Bertelsmann/Kirch-Formation als Minderheits-Teilhaber: der französische Canal +, Nummer 57 auf der Weltrangliste der Medienkonzerne und mit eigener Filmproduktion, eigener Decoder-Herstellung und 3,7 Millionen Abonnenten in Frankreich, Spanien, Belgien und den frankophonen Ländern Afrikas Europas größtes Pay- TV-Unternehmen. Nachdem die französische Wirtschaftspresse Ende März die bevorstehende Besiegelung des Vierer-Bundes gemeldet hatte, schweigt sich Canal +-Sprecherin Caroline Ryan jetzt darüber eisern aus. Denn neuerdings versuchen die ARD (sechstgrößter Medienkonzern der Welt) und das ZDF (Nummer 73), sich in die Media Service GmbH hineinverhandeln – angeblich um der Medienkonzentration vorzubeugen.

Canal + ist mit Bertelsmann und Kirch bereits im bisher einzigen deutschen Pay-TV-Kanal „premiere“ aktiv und per Vertragsklausel automatisch auch bei jeder weiteren Pay-TV-Aktivität der beiden mit von der Partie. Neuerdings wollen Canal + und Bertelsmann im März gemeinsam individuell abrufbare und interaktive Formen von Pay-TV wie etwa Zahlen-nach-Sehdauer (Pay Per View), Programm-nach-Wahl (Video On Demand), Programm-Einstieg-im-10-Minutentakt (Near Video On Demand) entwickeln und vermarkten.

Fast gleichzeitig taten sich Kirch und seine Beta-Taurus, die neben eigener Filmproduktion in Europa jetzt schon über den größten Katalog an Filmrechten verfügt, mit dem staatlichen Fernsehkoloß France Télévision zusammen, um gemeinsam „anspruchsvolle Programme der Kategorien Fiction und Musik“ insbesondere für junge Zuschauer zu produzieren.

Bereits 1993 hatten sich die Telefonriesen diesseits und jenseits des Rheins in dem Gemeinschaftsunternehmen EunetCom zusammengetan, das in Europa auf dem lukrativen Sektor Geschäftskommunikation tätig ist und bereits erste Erfolge vorweisen kann. Zur Eunet-Klientel zählen nicht nur Kunden wie IBM. Soeben zog die deutsch-französische Datenübermittlungs-Tochter, so Telekom- Sprecher Schawinski, auch einen 200 Millionen Mark schweren Dienstleistungs-Auftrag für die dänischen Kollegen von DansNet an Land.

Anfang kommenden Jahres folgt bereits der nächste Streich: Dann werden Telekom und France Télécom ihre Abteilungen Datex P (deutsch) und Tanspac (französisch) aus den eigenen Konzernen ausgliedern, um sie in einem neuen Gemeinschaftsunternehmen namens Atlas zusammenzuführen. Die Atlas soll weltweit Geschäftskommunikation anbieten und damit schon im ersten Jahr mehr als drei Milliarden Mark Umsatz machen.

Das alles kann so wunderbar gedeihen, weil die Deutsche Telekom immer noch ihre gesetzlich geschützte Monopolstellung hat. Bei diesem Tempo, so es kein Kartellamt bremst, sind alle Kommunkations-Goldgruben besetzt, wenn das Monopol 1997 aufgehoben wird. Eine kartellrechtliche Entscheidung über das Verbindungs- Unternehmen Media Service ist in zwei Wochen zu erwarten.