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Suche nach einem Senat ohne Heckelmann

■ Innensenator Heckelmann in CDU-Fraktion mit Standing ovations begrüßt / SPD-Sprecher schloß nicht aus, daß Mißtrauensantrag später entschieden wird

Als Dieter Heckelmann gestern nachmittag den Sitzungssaal im Abgeordnetenhaus betrat, bekam er Standing ovations von der CDU-Fraktion. Wenig später trat Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky vor die Presse und bestätigte erneut, daß seine Fraktion „unverbrüchlich“ zum Innensenator steht. Es gebe keinen Hinweis und schon gar nicht einen Nachweis, daß Heckelmann oder sein Pressesprecher Rechtsradikalen, geschweige denn Rechtsextremisten auch nur den geringsten Vorschub geleistet hätten. Ein Mißtrauensantrag der SPD wäre das Ende der Koalition.

Die Sozialdemokraten, forderte Landowsky, sollten diese Koalition nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Die SPD solle sich wichtigen Aufgaben nicht entziehen, der Doppelhaushalt und die Verfassungsänderung müßten verabschiedet sowie die Fusion mit Brandenburg und der Umzug der Bundesregierung vorbereitet werden. Ob die SPD in ihrer gestrigen Fraktionssitzung tatsächlich gegen Heckelmann einen Mißtrauensantrag beschließen würde, war gestern abend überraschenderweise unklar. Fraktionssprecher Peter Stadtmüller wollte kurz vor Redaktionsschluß der taz nicht mehr ausschließen, daß die SPD „heute noch keine Entscheidung trifft, um der CDU Spielraum zu geben“. Wie dieser Spielraum aussehen könnte, wollte Stadtmüller nicht sagen, bestätigte aber, daß über eine Verkleinerung des Senats nachgedacht worden sei. Es gebe eine Reihe von Varianten – „aber alle ohne Heckelmann“. Der Regierende Bürgermeister soll diesen Überlegungen wohl nicht so abgeneigt sein wie der Rest der CDU- Fraktion.

Deren Fraktionschef Landowsky lehnte dagegen jede Lösung ohne Heckelmann ab, schien aber eine Senatsverkleinerung nicht generell abzulehnen. Dabei könnten das Innen- und das Justizressort zusammengelegt werden, sagte Landowsky. Doch die SPD, vermutete er, würde wohl kaum die von ihr besetzte Justizverwaltung hergeben und die CDU auch in diesem Fall nicht auf Heckelmann verzichten.

Für den Fall aber, daß CDU und SPD die Koalition nicht fortsetzen, sah Landowsky zwei Möglichkeiten: Neuwahlen am 16. Oktober, zeitgleich zur Bundestagswahl, oder eine Minderheitsregierung mit einer „Mehrheit der Vernunft“. Für diese Mehrheit würde die CDU unter SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP 25 Abgeordnete suchen, die die Regierung bis zum Ende der Legislaturperiode Mitte des kommenden Jahres tolerieren sollen. FDP und Grüne beschlossen gestern allerdings, am Donnerstag gegen Dieter Heckelmann Mißtrauensanträge zu stellen.

Ob es selbst bei einem erfolgreichen Mißtrauensantrag zu vorgezogenen Neuwahlen kommt, ist nicht ausgemacht. Das Abgeordnetenhaus müßte seine Auflösung immerhin mit zwei Dritteln seiner Mitglieder beschließen. Das Interesse an Neuwahlen unter den 241 Mitgliedern im Abgeordnetenhaus ist aber gering, denn da das Parlament verkleinert werden soll, würden einige von ihnen ihren Sitz schon in diesem und nicht erst im kommenden Jahr verlieren. Die FDP hat das zusätzliche Problem, daß sie laut Wahlumfragen derzeit an der Fünfprozenthürde scheitern würde.

Bisher hat es lediglich einmal vorzeitige Neuwahlen in Berlin gegeben. Der durch die Garski-Affäre, Hausbesetzungen und Krawalle abgewirtschaftete Stobbe- Senat war am 15. Januar 1981 zurückgetreten. Als Krisenretter wurden Hans-Jochen Vogel (SPD) und fünf neue Senatoren eingeflogen. Die vorgezogenen Neuwahlen am 10. Mai 1981 führten zum Machtwechsel. Mit Richard von Weizsäcker wurde erstmals nach 26 Jahren wieder ein CDU-Politiker Regierender Bürgermeister von Berlin. Dirk Wildt

Siehe Seiten 4 und 24

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