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Ohne Zeichen der Versöhnung

Ein Jahr nach der UNO-Mission in Kambodscha ist immer noch kein Frieden absehbar / Rauswurf der Rote-Khmer-Vertreter aus Phnom Penh nach gescheiterten Gesprächen  ■ Aus Phnom Penh Bertil Lintner

Viele KambodschanerInnen atmeten erleichtert auf, als der letzte offizielle Vertreter der gefürchteten Roten Khmer am Montag unter Polizeibegleitung zum Flughafen der kambodschanischen Hauptstadt gebracht wurde. „Wir haben nichts, worüber wir mit ihnen reden könnten“, kommentierte ein Regierungsmitglied.

Daß die Friedensgespräche zwischen seiner Regierung und den Roten Khmer – unter deren Herrschaft zwischen 1975 und Ende 1978 etwa eine Million Menschen starben – fehlgeschlagen waren, hat tragische Konsequenzen: Es bedeutet, daß der kambodschanische Teufelskreis von Bürgerkrieg und Elend nicht aufgebrochen werden konnte. Zugleich aber war es auch der letzte Nagel zum Sarg der ehrgeizigsten – und teuersten – Friedensmission, die die UNO jemals unternommen hat.

Zur Erinnerung: 1992-93 hatten mehr als 20.000 Soldaten, Polizisten, Verwaltungsfachleute, MitarbeiterInnen von Hilfsorganisationen und andere Experten der UNO eine „Übergangsverwaltung“ gebildet. Das kriegszerstörte Land sollte endlich Frieden und Demokratie erleben. Der Einsatz kostete die UNO zwischen zwei und drei Milliarden US-Dollar.

„Ich entschuldige mich für mein Volk“, sagte kürzlich Kambodschas König, der legendäre Norodom Sihanouk. „Wir haben all die Mühe und Kosten nicht verdient.“ Doch der UNO-Plan wies von Anfang an ernsthafte Mängel auf. Im Friedensabkommen vom Oktober 1991 hatten sich die drei verbündeten Widerstandsgruppierungen auf der einen Seite und die Regierung in Phnom Penh auf der anderen verpflichtet, die Waffen niederzulegen. Alle vier Parteien sollten darüberhinaus einen „Obersten Nationalrat“ bilden, der gemeinsam mit der UNO-Übergangsverwaltung das Land bis zu freien Wahlen regieren sollte.

Doch der Plan ging fast sofort schief. Die Roten Khmer weigerten sich, ihre Waffen niederzulegen. Darauf lehnte es auch die Regierung in Phnom Penh ab, ihre Soldaten zu demobilisieren. Die UNO war machtlos. In diesem Stadium erklärten die Roten Khmer ihren Boykott der Wahlen.

Als die KambodschanerInnen schließlich im Mai 1993 abstimmten, unterlag die Regierung von Premierminister Hun Sen. Die Partei des Sihanouk-Sohnes Ranariddh gewann mit deutlicher Mehrheit. Daraufhin wurde das zweite Grundproblem des UNO-Friedensplan offensichtlich: Die UNO war erneut machtlos, als die Regierung in Phnom Penh sich weigerte, zurückzutreten und die Regierungsgewalt den Wahlsiegern zu übergeben.

Das Ergebnis erschien zunächst als Kompromiß: eine Koalition der alten Regierung von Hun Sen mit den Sihanoukisten Ranariddhs. Hun Sen und Ranariddh wurden „Co-Premierminister“. Jede Abteilung der Regierung wurde entsprechend organisiert. Die Monarchie mit Sihanouk als König wurde wiederhergestellt und das Land nahm eine neue Verfassung an.

„Aber wie kann eine Regierung zwei Premierminister haben? Das ist wie ein Auto mit zwei Fahrern. Einer will nach links wenden und der andere nach rechts. Heraus kommt dabei, daß wir nirgendwohin kommen“, klagt Oum Rong, Mitarbeiter einer kambodschanischen Menschenrechtsorganisation. Die wichtigsten Institutionen bleiben weiterhin unter der Kontrolle des alten Regimes: „Während sie den Sihanoukisten die Knochen des Finanzministeriums und des Außenministeriums hingeworfen haben, beherrscht die ehemalige Regierungspartei immer noch das Innenministerium mit seinem polizeilichen Willkürapparat. Ebenso das Justizministerium, das die Gerichte fest im Griff hält. Es dominiert auch die Streitkräfte, die nationale Bürokratie und vor allem die lokale Verwaltung in den Provinzen,“ sagt der amerikanische Jurist James Ross, der in Phnom Penh für die International Human Rights Law Group arbeitet.

Die Friedensgespräche, die in Phnom Penh vor einigen Tagen ergebnislos abgebrochen wurden, waren von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Die Delegation der Roten Khmer wurde von silberhaarigen Guerillaveteranen geleitet, die den größten Teil ihres Lebens im Untergrund verbracht haben – bis auf die grauenvollen Jahre ihrer Herrschaft. Auf der anderen Seite des Verhandlungstisches im Königspalast saßen die Vertreter der Sihanoukisten in der neuen Regierung. Viele von ihnen waren aus dem Exil in Frankreich oder den USA zurückgekehrt, in das sie kurz vor dem Einmarsch der Roten Khmer in Phnom Penh am 17. April 1975 geflohen waren.

Neben den Sihanoukisten saßen die Vertreter Hun Sens, die die vietnamesische Invasion im Januar 1979 unterstützt und seitdem in den Grenzgebieten des Landes gegen die Roten Khmer um ihr Überleben gekämpft hatten. Im Hintergrund waren Maha Goshananda und andere führende buddhistische Mönche zu sehen, die eine gewaltlose Lösung der unzähligen Probleme Kambodschas propagieren. Das makabre Treffen im vergoldeten Königspalast von Phnom Penh reflektierte die anhaltende Spaltung in der kambodschanischen Gesellschaft. Die alten Fraktionen sind immer noch da, ungebrochen und unverändert, und es hat keinerlei nationale Versöhnung gegeben. „Die UNO hat niemals richtig verstanden, daß sie es nicht mit politischen Parteien im traditionellen Sinn zu tun hatte – sondern mit bewaffneten Fraktionen, die sich jahrzehntelang in unterschiedlichen Kombinationen und Konstellationen bekämpft haben,“ sagt ein Beobachter in Phnom Penh.

Draußen im kambodschanischen Land gehen die Kämpfe weiter. Tausende warten nur darauf, ihre Waffen wieder zu benutzen – gegen jeden, der ihnen in die Quere kommt. Ein Jahr nach der UNO-Mission gibt es keinen Frieden in Kambodscha.

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