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Drei Schlemihle auf Reisen

■ Neu im Kino: “Auf Wiedersehen Amerika“ von Jan Schütte

So recht zuhause sind sie nirgendwo: in New York sind Isaak Aufrichtig, Moshe Lustgarten und dessen Frau Genovefa nur gestrandet. Sie spricht auch nach 30 Jahren in Brighton Beach nur polnisch mit einigen eingeflochtenen Amerikanismen, und wenn die beiden Freunde sich unterhalten, wechseln sie mitten im Satz von jiddisch über englisch und deutsch zu polnisch und wieder zurück.

Die drei EmigrantInnen schlawinern mehr schlecht als recht durchs Leben, träumen von der alten Heimat und begeben sich auf eine abenteuerlich, komische Reise von Brooklyn über Berlin nach Danzig. Mit Chuzpe, viel Weisheit und Gefühl bestehen sie gegen FBI, deutsche Kälte und die polnische Gier nach den Dollars. Moshe hat Siberien überlebt, da wird er auch das überstehen.

Man kommt bei „Auf Wiedersehen Amerika“ aus dem Staunen nicht heraus. Ein schöner, leichter Spielfilm aus Deutschland über jüdische Emigranten ? – das ist doch eigentlich unmöglich. Wie kann der Jan Schütte die ganze verkrampfte Vergangenheitsbewältigung, den Pathos und die allzu gutgemeinte Betroffenheit souverän beseite lassen, und statt dessen so heiter und liebevoll von der Reise dieser drei alten Schlemihle erzählen ?

Er hat genau hingehört, wenn ihm die alten Exilanten in Brighton Beach ihre Geschichten erzählt haben, er hat genau beobachtet, wie sie leben und wie sie sich mit ihrem melancholischen Witz auch in der Fremde die Würde erhalten. Man spürt Schüttes Respekt und seine Zuneigung für diese Menschen, sein Film ist eine Liebeserklärung an sie – deshalb wirkt er wie aus einem Guß. Buch, Kamera, Ausstattung, Musik und Schnitt: alle Elemente paßen so wunderbar zusammen, daß der Film ganz einfach und fast kunstlos wirkt.

Die ZuschauerInnen folgen halt den drei Reisenden – die Schauspieler ( Jakov Bodo aus Israel, Otto Tausik aus Wien und Zofia Merle aus Polen) wirken so authentisch, daß man bald keinerlei Distanz mehr zu ihnen hat. Selbst George Tabori ist sehr schnell kein berühmter Künstler in einer Gastrolle mehr, sondern ein würdiger, jüdischer Säufer.

Der Filmemacher Schütte tritt bescheiden hinter den Figuren und ihrer Kultur zurück, aber dies tut er so kunstfertig und lakonisch, wie es nicht nur im deutschen Kino sonst kaum einer vermag. So war es wohl kein Zufall, daß „Auf Wiedersehen Amerika“ in Cannes als einziger deutscher Film in einer Nebenreihe gezeigt und tatsächlich gefeiert wurde.

Wilfried Hippen

Original in Englisch, Polnisch, Jiddisch, Deutsch mit Untertiteln /

Cinema , täglich um 19.15 Uhr

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