piwik no script img

Die tiefsten Ängste jeder Frau

■ betr.: „Hell's Devils“ von Gabriele Goettle, taz vom 30.5.94

Sexistische Tendenzen kann ich in der Erzählung beim besten Willen nicht entdecken. Bloß weil in bestimmten Zusammenhängen bestimmte Stichworte fallen, ist ein Text ja noch nicht sexistisch. Für mich ist der problematische Punkt mehr die Darstellung brutalster Gewalt als solcher (wenn sie sich hier auch größerenteils „nur“ in Form von Androhungen ereignet).

Sehr realistische Gewaltdarstellungen empfinde ich durch die mir im Nacherleben aufgezwungenen schrecklichen Bilder und Gefühle, die mich unter Umständen längere Zeit verfolgen können, als eine Art seelische Verletzung, die mir zugefügt wird und damit als nicht unerheblichen Eingriff in meine „persönliche Integrität“, den ich nicht ohne guten Grund dulden möchte. Da mir nun Gabriele Goettles bisherige, hervorragend gut geschriebene, als Zeitungsartikel „getarnte“ Stories (vor allem auch in ihrem subtilen Spiel mit versteckten Vorurteilen und sozialen Rastern) sehr gefielen, habe ich das Bedürfnis, mögliche „gute Gründe“ für sie in die Waagschale zu werfen, gute Gründe dafür also, daß sie so gnadenlos die tiefsten Ängste jeder Frau in mir aufwühlt. Für mich könnten das zum Beispiel folgende sein:

– durchs existentiell Berührtwerden neu zu erkennen: solche Dinge passieren wirklich,

– der gar nicht so unmöglichen eigenen Vernichtung einen Augenblick ins Auge zu schauen,

– nachzufühlen: was geschieht in uns angesichts der Ausweglosigkeit.

Ob solche Gründe schwer genug wiegen, muß letztlich jedeR für sich entscheiden. Ich jedenfalls bin gespannt auf die nächste Geschichte. Ulrike Klaaßen, Bonn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen