: Keine Entscheidung
■ RAF-Gefangene bleibt in Haft
Hamburg (taz) –„Irmgard Möller durchlebt eine Ablehnung auf Raten“, so beschreibt die Hamburger Rechtsanwältin Anke Brenneke-Eggers das seit Ende 1992 laufende Verfahren der RAF-Gefangenen um Aussetzung ihrer Reststrafe. Am Mittwoch führte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Lübeck eine richterliche Anhörung durch. Doch Hoffnung auf eine baldige Entlassung kann die Gefangene trotz ihrer 22 Knastjahre nicht schöpfen. Die Kammer habe keine Entscheidung getroffen, berichtete Brenneke- Eggers gestern. Und dies, obwohl das Gericht nach Einschätzung der Anwältin die Voraussetzung für eine Entlassung als gegeben anzusehen scheint.
Blockiert wird die Entscheidung über die Freilassung der einzigen Überlebenden der Todesnacht in Stammheim durch das Fehlen eines psychiatrischen Gutachens. Besser gesagt: durch die Weigerung des bestellten Sachverständigen, das Gutachten auf der Grundlage der Anhörung und der Auswertung der in den Haftjahren über Möller gesammelten Akten zu erstellen. Weil sie es ablehnt, sich einer Befragung durch den Psychiater zu unterziehen, will der nun eine Erhebung unter Möllers Besuchern einleiten. Allerdings, so Brenneke-Eggers, habe er angedeutet, daß auch das nicht reichen werde. Das Vorliegen eines Gutachtens, in dem die „Gefährlichkeit“ der Gefangenen bewertet werden soll, ist jedoch laut Beschluß des Bundesgerichtshofs für eine Entlassung verpflichtend. Nicht festgeschrieben ist jedoch, auf welcher Grundlage es erstellt werden muß. Ein entscheidender Punkt, denn alle Gefangenen aus der RAF haben bislang ihre psychiatrische Begutachtung abgelehnt. Bei ihrer Freilassung, so betonte gestern die Ex-Gefangene Gabriele Rollnik, handele es sich in Wahrheit um eine politische Entscheidung, die auf eine Frage psychischer Normalität reduziert werde. Deshalb könne nun über die Bestellung eines Sachverständigen Einfluß auf die Entscheidung genommen werden. Erkläre sich dieser bereit, nach Aktenlage zu begutachten, werde die Hürde für die RAF-Gefangenen überwindbar, weigere er sich, sei eine vorzeitige Entlassung unmöglich.
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