: Prolls und Legospiele
■ Flensburg mit Flugschädel und Fischmob im Westwerk
Die Maschine hat sich entschlossen, endgültig die Kontrolle über das musikalische Geschehen zu übernehmen. Sie ist in der Vergangenheit dazu benutzt worden, ihre Umgebung aufzuzeichnen und, mit gewissen Harmonien versehen, in einem endlosen Kreislauf wiederzugeben. Das macht sie auch jetzt noch, bloß nennt sie sich nun Flugschädel, kommt aus Flensburg und legt einen gewissen Zynismus an den Tag, etwas, das mechanischen Dingen eigentlich nicht eigen ist.
Das Debüt der Band ist somit auch nur auf den ersten Blick witzig. Die lustigen Zitaten-Samples, auf einem populären Hard-core/Metal-Teppich liegend, und darüber das nachgeäffte, wütende Geschrei weißer, amerikanischer Musiker, was alles zusammen recht hoffnungslos ist, bringt den Flugschädel schnell wieder von seiner vermuteten Bahn um den lustigen Planeten Turnschuh ab. Was nach vielen Umdrehungen von dem Trabanten noch übrig bleibt ist, gewollt oder nicht, ein Abgesang auf musikalische Subkulturen, die längst keine mehr sind. Ein Legospiel mit zerborstenen Gitarren.
Wenn die Psychologie des Speeddeathmetalgrindcore die ist, daß die Kids glauben, sie hätten eine adäquate Ausdrucksform für ihre Ausweglosigkeit gefunden, so sind Flugschädel die narrenhaften Protagonisten in dieser Zeit des Irrglaubens. Die Kinder werden es nicht mögen, aber es ist uns etwas Älteren durchaus erlaubt, ihnen mit grinsendem Schaudern zuzuhören.
„Ey Aller“ ist die frohe Botschaft von Fischmob. Wie Flugschädel kommen sie vom D.D.R.-Plattenmeister-Label, leben und wirken in Flensburg und treten bald im Westwerk auf. Ihre rollenden Beat-Würste transportieren die Anerkennung für ein Leben des Aufstehens um drei Uhr nachmittags und des zufällig früh morgens auf dem Kiez der großen Stadt eingeschlagenen Mundwerks. Kurze, wahre Geschichten aus dem Büro des Arbeitslosen, des Musikliebhabers, des viel-trinkenden Lesers von Spex und Morgenpost: von der Straße. Echte Spinner mit Gefühl für Groove vermißt die norddeutsche HipHop-Szene schon lange und der scheinbar eingebaute O-Ton des „Ey Aller“-Proll-Dumbatzes ist einfach professionell.
Unterhaltungs-Rap ohne schrecklich erfundene Geschichten um Mädchen, die man eh nie kriegen tut, oder Politik, die man nur tut, weil man die Mädchen nicht kriegen tut. Das alles gibt es hier nicht oder nur am Arsch. Hier, im Fischmob, ist alles Ordinäre richtig portioniert und alle Wichtigtuerei mit Gestank belegt. Und da die Jungs (verspricht die D.D.R.) sich richtig zu ihrer Musik bewegen können, dürfte hier eine Band mit allen Qualitäten für den geschulten Anti-Fantastische-Vier-Terror-Einsatz geboren sein.
up/tlb
Flugschädel: 8./9.7.
Fischmob: 14.7.
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