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Wann darf sich die Bürgerschaft auflösen

■ Verfassungsreform bekommt kurz vor Verabschiedung neue Brisanz / Grüne Gegenstimme

Am kommenden Donnerstag steht die Änderung der Bremer Landesverfassung in dritter Lesung auf der Tagesordnung der Bremer Bürgerschaft – und noch immer sind die wichtigsten Fragen offen. Da sind noch kleinere Korrekturen zu beraten, zum Beispiel wollte der grüne Abgeordnete Hermann Kuhn den Passus für einen „Bürgerantrag“ so verändert wissen, daß alle Bremer – deutsche wie Ausländer – schon ab einer Alternsgrenze von 16 Jahren an mit ihrer Unterschrift die Behandlung eines Thema von der Bürgerschaft verlangen können. 10.000 Unterschriften, so das Verfahren des „Bürgerantrages“, und das hohe Haus muß sich mit dem vom Volk gewünschten Thema befassen.

Tauziehen im Hintergrund gibt es vor allem um eine andere Frage, die auf den ersten Blick recht unwesentlich erscheint: Soll die neue Verfassung mit der nächsten Legislaturperiode, also im Oktober 1995, in Kraft treten, oder möglichst bald? Brisant ist dies, weil mit der Verfassungsänderung die Selbstauflösung des Parlaments ermöglicht werden soll. Wenn dies schon im kommenden Winter zu den Etat-Beratungen 1995 möglich ist, könnte es ein Drohmittel in den Dauerkonflikten zwischen SPD, Grünen und FDP werden.

Bisher würde ein Austritt der FDP aus der Ampel in der Bremer Stadtbürgerschaft zu einer Lage führen, in der nur noch die Große Koalition eine Mehrheit hätte. Mit der Verfassungsänderung wäre der Weg für Neuwahlen frei – nach den letzten Wahlniederlagen könnte der FDP also die Lust vergehen, die Koalitionspartner allzusehr zu reizen. Die FDP hat trotzdem Zustimmung zum sofortigen Inkrafttreten der Verfassungsreform signalisiert, in der Fraktion darüber aber noch nicht entschieden.

Um die Koalition mit dem Problem zu konfrontieren, hatte die CDU gefordert, daß die Änderungen der Landesverfassung jedenfalls in diesem Punkt möglichst schnell in Kraft treten sollen. Wenn schon, dann ganz, war die Antwort der Grünen, denn wenn jetzt mit großem Bahnhof das Recht auf einen „Bürgerantrag“ in die Verfassung geschrieben wird, dann sollte das auch recht bald praktisch möglich sein. Den Hintergedanken an die Drohung mit Neuwahlen weist Kuhn aber von sich: „Ich glaube nicht, daß es dazu kommt.“

Zwar rechnen die Ampel-Fraktionen damit, daß die Verfassungsänderung nicht einstimmig beschlossen und deshalb dann Gegenstand eines Volksentscheides am 16. Oktober sein wird, eine kleine Hoffnung besteht aber doch noch, diesen Aufwand mit hohen Kosten (bis zu einer Million Mark) zu vermeiden: Mit der DVU gibt es vorsichtige Gesprächskontakte. Auch der Nationalkonservative Hans Altermann ist noch nicht endgültig entschieden, er will „wahrscheinlich“ dagegen stimmen, erklärte er gestern. Begründung: „Ich kann doch den Grünen Walter Ruffler nicht im Stich lassen.“

Der bedankt sich natürlich für derartige Fürsorge. „Ich werde der Bürgerschaft vorschlagen, differenziert die drei Sachkomplexe abzustimmen“, erklärte er gestern der taz. Die Bestimmungen zum Volksentscheid seien nämlich eine Verbesserung, sie ermöglichten zum Beispiel eine Abstimmung über den Stadtwerke-Verkauf.

Die Bestimmungen über die Selbstauflösung des Parlaments und die Möglichkeit, die Verfassung später dann schon mit einer 2/3-Mehrheit in der Bürgerschaft ändern zu können, lehnt Ruffler aber ab: „Da stimme ich gegen.“ Notfalls auch allein: „Wenn ich etwas für richtig halte, dann mache ich das.“ K.W.

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