: Albanische Homos bekennen sich
■ Anti-Porno-Gesetz gegen Lesben und Schwule angewandt
Wien (taz) – Drei Jahre nach dem Ende der kommunistischen Herrschaft müssen Albaniens Schwule und Lesben noch immer ihre Identität verbergen. Das soll jetzt anders werden: Unter dem Namen „Come out“ veröffentlichte am 6. Juni die bisher einzige homosexuelle Interessenvertretung des kleinen Balkanlandes ein Manifest in zwei albanischen Tageszeitungen. „In Europa gibt es kein Land ohne Schwule und Lesben“, heißt es da, „deshalb bekennen wir uns.“
Das Bekenntnis fällt schwer. Nach Auskunft der „Come out“- Aktivisten werden Frauen und Männer, die beim gleichgeschlechtlichen Verkehr ertappt werden, von albanischen Gerichten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Noch immer ziehen die Richter dabei einen alten Paragraphen im Strafgesetz heran, der „obszöne und pornografische Handlungen und deren Verbreitung“ mit bis zu zehn Jahren Haft ahndet. Eine Änderung dieser Strafpraxis erwartet die Schwulen- und Lesbeninitiative nur aufgrund internationalen Drucks, „da in Albanien die Vorurteile gegen gleichgeschlechtliche Liebe im Bewußtsein der Politiker, aber auch der Künstler und Kulturschaffenden tief verwurzelt sind und die islamischen Traditionen jede Freizügigkeit verhindern“.
Wie düster die Lage wirklich ist, läßt sich auch drei Jahre nach dem Zusammenbruch des stalinistischen Regimes nur unzureichend bestimmen. Anders als in anderen ex-sozialistischen Staaten Osteuropas war Albanien seit 1946 hermetisch von Fremdeinflüssen abgeschnitten. Staats- und Parteichef Enver Hoxha trieb das kleine Balkanland mit seinem Wahn vom „einzig wahren kommunistischen und atheistischen Staat Europas“ in eine einzigartige Selbstisolation. Im Alltagsleben wachte die Polizei „über dekadente Erscheinungen“, wurde das Tragen von Bärten und Miniröcken unter Strafe gestellt, waren Lippenstift, Kondome und die Pille verboten.
Westlichen Schwulen- und Lesbengruppen sei die Lage der albanischen Homos damals wie heute egal, beklagen die „Come out“- Aktivisten. Tatsächlich nahmen Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre bundesdeutsche Maoistenzirkel, die zur ideologischen Schulung nach Albanien pilgerten, nur die offizielle Propaganda für bare Münze. Dort hieß es, Homosexualität werde nicht unter Strafe gestellt und stillschweigend toleriert. Eine Meinung, die von Teilen der Schwulen- und Lesbenbewegung übernommen wurde. „Es scheint fast unglaublich, daß das Gesetz in Albanien Homosexualität nicht einmal erwähnt“, hieß es etwa in dem seriösen Sachbuch „Rosa Liebe unterm Roten Stern“ (HOSI-Wien, 1984). Auf den Gedanken, daß Homosexuelle aufgrund eines vordergründig gegen Pornographie gerichteten Paragraphen bis heute drangsaliert werden, kamen die Autoren nicht. Karl Gersuny
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