piwik no script img

Große Affäre in Sachsen-Anhalt

■ SPD gewinnt zwar, es langt aber nicht / PDS mit Traumergebnis / FDP fliegt aus dem Landtag

Magdeburg (taz) – Sachsen-Anhalt übt schon mal für eine Große Koalition in Bonn: Bei den gestrigen Landtagswahlen konnte die SPD zwar deutlich an Stimmen gewinnen. Für ein Bündnis jenseits der Christdemokraten wird es aber nicht reichen. Die SPD erreichte Hochrechnungen zufolge etwa 34 Prozent der Stimmen und gewann damit gegenüber den letzten Landtagswahlen im Jahre 1990 rund acht Prozent hinzu. Die CDU verlor zwar etwa vier Prozent, bleibt aber mit circa 35 Prozent die stärkste Partei. Die PDS entwickelt sich weiter zur neuen ostdeutschen Volkspartei: Sie kam ähnlich wie bei den Europawahlen in Sachsen-Anhalt auf fast 20 Prozent. Bündnis 90/Die Grünen erreichten voraussichtlich knapp über fünf Prozent und mußten am Abend noch um den Einzug in den Landtag zittern. Da die FDP mit weniger als vier Prozent aus dem Landtag fliegt und weder SPD noch CDU zu einer Koalition mit der PDS bereit sind, bleibt den Sachsen-Anhaltinern jetzt nur noch der Weg zur Großen Koalition. Ministerpräsident Bergner (CDU) stellte diese am Abend schon in Aussicht. „Es gibt nur einen Gesprächspartner – und das ist die SPD“, sagte er. Bei der SPD übte man sich in Autosuggestion und betonte, man habe die meisten Stimmen hinzugewonnen.

Bei der FDP fand sich zunächst niemand, um das Desaster zu kommentieren. Schließlich meldete sich FDP-Chef Kunert, der den bundesweit schlechten Trend seiner Partei bedauerte. In Sachsen-Anhalt hatte die FDP bei den letzten Landtagswahlen mit dem Genscher-Bonus – der Ex-Außenminister stammt aus Halle – noch 13,5 Prozent erhalten. Doch selbst großflächig plakatierte Genscher-Konterfeis mochten die Wähler diesmal nicht dazu bringen, der Partei mit den drei Punkten ihre Stimme zu leihen.

Ganz anders bei der PDS: Lothar Bisky äußerte sich erfreut über das „gewaltige Ergebnis“ und sagte, der Wahlkampf gegen die PDS habe den anderen Parteien nichts gebracht. Der Versuch, die SED- Nachfolgepartei auszugrenzen, sei nicht erfolgreich gewesen.

Die CDU könne mit der Prognose gut leben, meldete sich Sachsen-Anhalts Innen- und Justizminister Remmers (CDU) zu Wort. Der Wähler habe offenbar unterschieden zwischen „Vorwürfen, Skandalen und sachlicher Arbeit“. Remmers trägt die Verantwortung für das Versagen der Polizei bei der Jagd auf Ausländer am Himmelfahrtstag in Magdeburg. Die „Republikaner“ erzielten das niedrigste Ergebnis seit langem: Nur etwa 1,5 Prozent mochten bei den Rechtsradikalen ihr Kreuz machen.

Auf Basis der Hochrechnungen ergibt sich für die Sitzverteilung im Magdeburger Landtag folgendes Bild: Die CDU verliert neun Mandate und erreicht 37 Sitze. Die SPD kommt auf 36 Mandate (plus neun), die PDS gewinnt acht Sitze und kommt auf 21 Mandate, Bündnis 90/Die Grünen kommen auf fünf Sitze (unverändert). Die FDP geht leer aus.

Die Wahlbeteiligung lag so niedrig wie noch nie bei einer Landtagswahl: Nur 54 Prozent aller Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Bei der letzten Landtagswahl 1990 waren es noch 65,1 Prozent. Landeswahlleiter Söker schob die geringe Beteiligung auf das heiße Wetter. Seite 2

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen