Kentucky Fried Cowboy

■ Dwight Yoakam auf Tour mit slickem Nashville-Sound direkt aus Bakersfield

Alle reden vom Country-Boom – nur von Dwight Yoakam redet (fast) niemand mehr. Nicht daß der smarte Wahlkalifornier aus Kentucky am Hungertuch nagen müßte: „This Time“, sein letztes Album, behauptet seit immerhin 64 Wochen einen Platz in den Top 40 der US-Country-Charts. Doch in Zeiten, da selbst Nobodies aus dem Stand an die Spitze der Pop- Charts vordringen, sind das „Peanuts“. Und vom Diskurs über das, was Country darf, kann, soll oder muß, ist Yoakam heute ähnlich weit entfernt wie der ungehobelte Honky-Tonk-Stil seiner musikalischen Wahlheimat Bakersfield vom slicken Nashville-Sound eines Chet Atkins.

Das war schon mal anders: Anno 86/87 wurde Dwight Yoakam neben Randy Travis und Steve Earle als Maß aller neuen Country-Dinge verkauft. Eine höchst ungleiche Troika: Avancierte Travis schnell zum klassischen Crooner in der Tradition eines George Jones, wilderte Earle als tougher Country-Rocker im Gehege von Bruce Springsteen, so stilisierte sich Dwight Yoakam mit coolen Posen und markigen Sprüchen („Fuck The Beastie Boys!“) auf den Spuren seines Idols Buck Owen zum „rebel with a cause“ gegen das Nashville-Establishment, der schließlich – als Cow-Punk getarnt – nach Los Angeles gehen mußte, um zu reüssieren. Wobei bis heute nicht ganz klar ist, wo hier die Legende anfängt oder aufhört. In einer dichtgedrängten Music Community, die vor Talent aus den Nähten zu platzen droht, kann schließlich niemand erwarten, daß er schon nach zwei Showcase- Auftritten hofiert wird. Und so höhnte Kollege Earle, er habe Dwight Yoakam „nie in Nashville gesehen“.

Auch wenn sich Yoakam, mit Blick auf den europäischen Markt, zuletzt einige fragwürdige Cover- Versionen geleistet hat, blieb er seinem Genre-Purismus im Prinzip immer treu. Es müsse, so seine Argumentation, immer Künstler geben, die sich ganz an die klassische Form halten – andernfalls würde es bald nur noch zweitklassige Variationen davon geben können. Das sei so, doziert das eloquente Großmaul, „als ob man einem Kind Trigonometrie beibringen soll, das die Grundrechenarten“ nicht kenne.

Die wahrlich bodenständige Musik hat der Hutträger mit den engsten Jeans und den schönsten Western-Jacken dies- und jenseits des Rio Grande in einem Image gebrochen, das sich mit spielerischem Pop-Bewußtsein über eine Aura der Arroganz definierte. Wo ein Garth Brooks ganz auf die wärmende Komplizenschaft einer konventionellen Rock-Rhetorik setzt, wo es zum Nashville-Konsens gehört, daß die Stars den treu verbundenen Fans selbst ihre gute Stube öffnen, inszenierte sich Dwight Yoakam auf der Hülle seines 87er Albums „Hillbilly DeLuxe“ als „Space Cowboy“, der nicht länger Bullen (und seien's mechanische...) zubereitet, sondern auf einer Rakete in den Hillbilly- Heaven saust. Und kennzeichnete den Country-Star zum Anfassen damit als den Mythos, der er schon lange ist. Auch wenn gerade frühe Songs wie „Miner's Prayer“ (vom Debüt „Guitars, Cadillacs etc. etc.“), den er seinem Großvater, einem Bergwerksarbeiter, widmete, Yoakams soziale Sensibilität anzeigten, hielt er sich aus dem Tagesgeschäft gesellschaftspolitisch motivierter Issue-Songs raus. Dafür fand die Sentimentalität gebrochener Männer in seinen Loser- Songs eine wohlige Heimstatt – und in seiner porentief reinen Hillbilly-Stimme ein perfektes Medium. Yoakam, der nur Frauen zu kennen scheint, die tagsüber sanfte Küsse vergeben, um sich des Nachts als kühle Verräterinnen zu enttarnen, fand noch stets einen Barhocker, um sein Mütchen zu kühlen – schließlich sogar einen, der ihn mit Namen kennt. Mit dem müssen Gefühlsautisten nicht reden. Und im Stich läßt der einen auch nie. Jörg Feyer

Am 28. Juni in Hamburg, Docks, am 30. Juni in Berlin, Tempodrom, am 1. Juli in Kaiserslautern, Barbarossahalle