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Wer wen warum gewählt hat

■ Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt von Infas analysiert

Hamburg (dpa) – Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am Sonntag haben die Wähler und Wählerinnen das christlich-liberale Regierungsbündnis abgewählt und zugleich verhindert, daß die Opposition die Macht übernahm. Das eine wurde durch Vertreibung der FDP aus dem Landtag bewirkt – die Liberalen verloren fast zehn Prozent im Vergleich zu 1990 – das andere dadurch, daß SPD und PDS beide rund acht Prozentpunkte zulegten. Die CDU hat zirka fünf Prozentpunkte verloren. Dies stellt das Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) in seiner Wahlanalyse fest.

In diese Zwickmühle gerieten die Parteien des neuen Landtags nicht zuletzt, weil 45 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung von ihrem demokratischen Mitwirkungsrecht keinen Gebrauch machte. Die CDU konnte nur 0,4 Prozentpunkte, das sind rund 5.000 Wählerstimmen, mehr verbuchen als die SPD. Die „Partei der Nichtwähler“ ist stärker als CDU und SPD zusammen, nämlich fast eine Million.

In Sachsen-Anhalt haben mehrere Faktoren ineinandergespielt: So ist seit langem in den neuen Bundesländern eine große Enttäuschung über die Bonner Regierungsparteien und ihr Engagement für die Interessen der Ostdeutschen zu verzeichnen. Der PDS gelang es in den letzten zwei Jahren zunehmend, das Image der „SED- Nachfolgepartei“ abzulegen und die hinter sich zu bringen, die mit der Entwicklung seit der Einheit unzufrieden sind. Die SPD kämpft mit dem Handikap, von vielen nicht als Interessenvertretung der Ostdeutschen akzeptiert zu werden.

Die gleichzeitigen Stichwahlen um Bürgermeister- und Landratsposten entwickelten eine ganz eigene Dynamik und hatten Nachwirkungen auch auf die Landtagswahlentscheidung. So löste die Oberbürgermeister-Stichwahl zwischen einem CDU- und einem PDS-Bewerber in Halle eine starke Mobilisierung der Wähler und Wählerinnen beider Parteien aus – mit dem Ergebnis, daß die CDU in Halle gegen den Landestrend deutlich hinzugewann und die PDS dort ihr bestes Ergebnis in Sachsen-Anhalt einfuhr.

Nur noch in sechs Wahlkreisen überwanden die Liberalen die Fünfprozentmarke. Wie die Infas- Wanderungsbilanz ermittelt, verlor die FDP hauptsächlich an die beiden großen Parteien, dabei an die SPD (38.000) mehr als an die CDU (26.000). Ganz besonders wurde sie auch durch Wahlenthaltung (45.000) geschädigt. Auch die Union wurde durch mangelnde Mobilisierung (61.000) besonders geschwächt. Die SPD war mit 18.000 Nichtwählern ebenfalls von den Folgen der Wahlenthaltung betroffen. Allein der PDS gelang es, ihre Wähler von 1990 in einer sich so stark wandelnden Wählerlandschaft bei der Fahne zu halten.

Die kleinen Parteien dienten nicht als Sammelbecken für Protest, wurden vielmehr vom Trend nach links völlig an den Rand gedrängt, darunter auch die „Republikaner“, die ein weiteres Mal in Ostdeutschland nicht Fuß fassen konnten.

Obwohl die Arbeitslosigkeit das wichtigste Wahlkampfthema war, konnte die SPD als klassische Arbeiterpartei die Wähler nicht überzeugen: Die CDU erhielt mit 36 Prozent unter den Arbeitern fast ein genauso gutes Ergebnis wie die SPD mit 37 Prozent. Auffallend ist, daß die PDS bei den jüngeren Wählern sehr erfolgreich abschnitt: bei den 18- bis 24jährigen Männern ist sie mit 29 Prozent stärkste Partei geworden.

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