Auf immer dein Von Sylvia Voß

Wenn Amors Pfeil so tief im Fleische sitzt, daß die Getroffenen ankündigen, diesen Zustand nun institutionalisieren zu wollen, so rührt das jeden ein wenig an. Heiraten! Außer herzenswarmen Segenswünschen soll das Brautpaar natürlich noch anderes mit auf den gemeinsamen Lebensweg bekommen: Geschenke müssen her. Damit nun die Gäste ihre eingerostete Phantasie nicht schmieren müssen oder ihnen gar der Ideenstoff bereits bei Mixer oder Kochtöpfen ausgeht, flattern ihnen mit gleicher Post tröstende Zeilen ins Haus: „Wenn Ihr uns etwas schenken wollt, was wir wirklich brauchen, haben wir im Kaufhaus eine Liste mit unseren Wünschen anlegen lassen. Eure Ansprechpartner an der Zentralkasse sind ...“

Ein wenig enttäuscht über das mangelnde Vertrauen der Gastgeber – gewiß wäre einem doch noch was anderes eingefallen als ein Eierkocher oder Spültücher –, heißt es also auf ins besagte Kaufhaus und schnurstracks die Zentralkasse angepeilt. Der Empfang ist warmherzig; Hochzeitsgäste lassen sich offenbar nur ungern lumpen und werden denn auch gerne in den Raum geführt, über dessen Tür in fröhlich-schleifchenverzierten Lettern „Hochzeitsservice“ prangt. Hinter einem Dutzend schwarz verglaster Schranktüren schlummern hier die Träume derer, die sich in naher Zukunft auf ewig aneinander binden. Und damit nichts durcheinandergeht, trägt jeder Schrank die Namen der bisher noch Unvermählten. Zielsicher peilt der schenkwillige Mensch den Schrank „seines“ Brautpaares an, die Verkäuferin reißt die Türen auf. Es finden sich: ein komplettes Service von Hutschenreuther, dazu passend (Ton in Ton!) Seidentischdecken und Seidenservietten, zentimeterdicke Badematten, ein knallroter Giga- Mülleimer im Wert von 250 Mark. Was der Mensch halt so zum Leben braucht. In der hinteren Schrankecke haben sich auch noch Waschhandschuhe, je 6,95 DM, und einige CDs verschlupft.

Hier ist nicht nur guter Rat teuer, doch schließlich fällt die Entscheidung: „Ich nehme dann drei von den Servietten“ (60 Mark). Schon auf dem Weg zur Kasse, in Gedanken bereits über die passende Verpackung grübelnd, wird der Hochzeitsgast erneut gestoppt: „Die meisten Geschenke werden übrigens geliefert, das hat das Brautpaar sich so gewünscht.“ Aha. Sei's drum. „Wir hätten dann als Geschenkpapier hier das blaue, das weiße, das geblümte oder die Folie. Das blaue? Sehr gern. Wenn ich dann noch ein Foto von Ihnen machen dürfte?“ Wie bitte?? „Das hat sich das Brautpaar auch so gewünscht. Sehen Sie, das Foto kleben wir dann auf diese Seite, darunter können Sie noch Ihre Glückwünsche schreiben. Den Ordner liefern wir zusammen mit den Geschenken.“ Die Verkäuferin zückt eine Polaroid-Kamera, arrangiert noch rasch die künstlichen Blumen, und schwupps – schon ist das verwirrte Grinsen über drei in der Hand drapierten Stoffservietten für die Ewigkeit festgehalten. „Wenn Sie mir dann noch den Anhänger hier ausfüllen?“ Schließlich setzt man nur noch seinen Namen unter die vorgedruckte Zeile „HERZ-lichen Glückwunsch von ...“. Nun endlich geht's an die Kasse. Ärgerlich nur eines: Warum eigentlich hat man nicht noch irgendwo vermerkt, wem die drei Servietten bei der Scheidung zufallen sollen?