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Massen fliehen aus Haiti – der Diktator nicht

■ Allein Montag wurden mehr als tausend Bootsflüchtlinge aufgegriffen

Washington (AFP) – Die Zahl der Bootsflüchtlinge aus Haiti hat nach Inkrafttreten der verschärften Sanktionen gegen den Karibik-Staat dramatisch zugenommen. Die New York Times berichtete gestern, allein am Montag seien mehr als tausend Haitianer von der US-Küstenwache aufgegriffen worden. Die Zahl der Bootsflüchtlinge, die seit Freitag entdeckt wurden, gab die Zeitung unter Berufung auf Offiziere der Küstenwache mit rund 1.800 an, mehr als in den gesamten ersten vier Monaten des Jahres.

US-Außenamtssprecher Michael McCurry sagte in Washington, von Freitag bis Sonntag habe die US-Küstenwache 785 Haitianer aufgegriffen, seit Einführung der neuen Aufnahmepraxis insgesamt rund 1.150 Flüchtlinge. 130 von ihnen hätten bislang den Flüchtlingsstatus zugesprochen bekommen, 347 Personen sei dieser Status bislang verweigert worden. McCurry führte den Anstieg der Flüchtlingszahlen auf die seit Freitag geltende verschärfte Blockade gegen den von den Militärs beherrschten Karibikstaat zurück.

Haiti ist seit Freitag fast vollständig von der Außenwelt abgeschnitten, nachdem die USA alle kommerziellen Flüge eingestellt haben. Auslandsguthaben wohlhabender Haitianer in den USA wurden eingefroren. Bereits seit dem 21. Mai ist ein Handelsembargo der UNO gegen Haiti in Kraft. Mit den Sanktionen soll die Rückkehr des im September 1991 gestürzten, demokratisch gewählten Präsidenten Jean-Bertrand Aristide erzwungen werden. Führende Vertreter von US-Behörden äußerten sich nach Angaben der Zeitung Washington Post besorgt, daß die neugeschaffenen Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge aus Haiti bald erschöpft sein werden. US-Präsident Bill Clinton hatte den Umgang mit den Flüchtlingen aus Haiti unlängst liberalisiert, was ebenfalls zur Zunahme der Flüchtlingszahl beigetragen habe.

Seit Mitte Juni werden die von der US- Küstenwache aufgegriffenen Flüchtlinge auf einem im Hafen der jamaikanischen Hauptstadt Kingston ankernden US- Schiff daraufhin geprüft, ob ihnen offiziell der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird. Zuvor waren die Flüchtlinge direkt in ihre Heimat zurückgeschickt worden.

Ein haitianischer Offizier sagte der New York Post, der Militärmachthaber Raoul Cedras wolle sich im Oktober nicht um eine Verlängerung seiner Amtszeit bewerben. „Der General weiß, daß er gehen muß“, sagte der Offizier, der nicht genannt werden wollte. Die Frage sei nur, wann und unter welchen Umständen. Offenbar wolle Cedras durch einen freiwilligen Abgang, der nicht in direktem Zusammenhang mit dem Druck der USA stehe, sein Gesicht wahren. Seite 10

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