: SPD setzt auf Rot-Grün
■ SPD in Sachsen-Anhalt legt sich auf Minderheitsregierung fest und löst Volksfront-Ängste aus
Magdeburg (dpa) – Zwei Tage nach der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat die knapp unterlegene SPD die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung beschlossen. Fraktionschef Reinhard Höppner wurde bei der gestrigen Sitzung von Landesvorstand und Fraktion in Magdeburg einstimmig als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten gewählt.
Die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/ Die Grünen, Heidrun Heidecke, sagte, es habe bereits am Montag mit der SPD erste Gespräche über eine Koalition gegeben. Für die kommende Woche haben Bündnis 90/Die Grünen einen kleinen Parteitag einberufen. Heideckes Ansicht nach muß eine rot-grüne Minderheitsregierung bei Entscheidungen sich überwiegend Stimmen von der PDS suchen. Damit würde auch für die PDS ein vernünftiges Stück Vergangenheitsbewältigung in Gang gesetzt. Die PDS hat bereits zugesichert, Höppner zum Regierungschef zu wählen und dem Haushalt zuzustimmen, wenn er keine große Koalition eingehe. Höppner erklärte hingegen, er wolle nicht in Abhängigkeit von der PDS zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Sollte Höppner bereits im ersten Wahlgang mit den Stimmen der PDS gewählt werden, so sei dies, nach Ansicht von SPD-Bundesgeschäftsführer Günther Verheugen, „unangenehm“, aber man könne es ihr nicht verbieten. Im dritten Wahlgang seien die Stimmen der PDS jedoch nicht notwendig. Die CDU hält an ihrem Koalitionsangebot fest. Ministerpräsident Christoph Bergner (CDU) sagte: „Wir haben durch die Wahl einen Verhandlungsanspruch, sind stärkste Fraktion, und das ist entscheidend.“ Höppner meinte, es sei kein Gesetz, daß die stärkste Fraktion den Regierungschef stelle. Unterstützung erhielt Höppner von Spitzenpolitikern seiner Partei. Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) erklärte, die PDS sei der SPD im sozialen Bereich sicher in manchem näher als die CDU. Die Fragen nach möglichen Formen einer Zusammenarbeit zwischen SPD und PDS müßten in Sachsen-Anhalt beantwortet werden. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine nannte die Mahnungen der Union vor der PDS eine „Unverschämtheit“. „Es war doch die CDU, die sich den SED-Ableger Ost-CDU samt Vermögen einverleibt hat. Kohl ist nicht nur – welche Ironie der Geschichte – der Enkel Adenauers, sondern auch der Erbe Honeckers“, sagte Lafontaine. Nach seiner Ansicht gibt es nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nur eine Konsequenz: „Höppner muß Ministerpräsident werden.“ Gegen die rot-grünen Pläne machten CDU/ CSU-Bundespolitiker massiv Front. Der CSU-Landesgruppenchef Michael Glos erklärte, wenn sich die SPD von der PDS in den Sattel heben lasse, werde auf dem sozialistischen Sektor das Zitat von Willy Brandt Wirklichkeit, daß zusammenwachse, was zusammengehöre. Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU- Fraktion, Johannes Gerster, erklärte, die von der SPD angestrebte rot-grüne Minderheitsregierung führe „schnurstracks in ein Volksfrontbündnis“. SPD-Chef Rudolf Scharping und Höppner schienen größenwahnsinnig geworden zu sein, wenn sie glaubten, die CDU würde eine Minderheitsregierung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen tolerieren. Demgegenüber versicherte Verheugen, die Volksfront-Kampagne der Union werde ins Leere laufen. Seite 10
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