■ Sparen und Verteilen: Sparen ist nicht wertfrei
Die anstehende Sparkur beim Berliner Doppelhaushalt 1995/1996 ist vor allem eine Verteilungsschlacht: Bereits jetzt ist absehbar, daß bei einer noch zu stopfenden Finanzlücke von jährlich nahezu zehn Milliarden Mark die Kreditaufnahme bis an oder über die Grenze des verfassungsrechtlich Möglichen gehen wird. Verkäufe von landeseigenen Immobilien und Unternehmensbeteiligungen sowie üble Kürzungen in vielen Bereichen bis hin zur Kultur wird es dennoch geben. Sparen aber ist mehr als ein flink und trickreich zusammengestricktes Zahlenwerk einiger Buchhalter, ist vielmehr in Geldbeträgen materialisierte politische Konzeption. Bei all den Zumutungen für die Berliner, die in den nächsten zwei Wochen bekannt werden, darf dies nicht vergessen werden. Beim Zahlengewoge geht es auch um gesellschaftspolitische Umsteuerungen, dahinter versteckt sich bei der CDU der zähe Kampf gegen angebliche Auswüchse des Sozialstaats zugunsten des starken Staats. Bei der Suche nach Sparlösungen kann sich keine Gruppe ausnehmen, auch nicht die Lehrer. Doch wer die Ärmsten der Stadt zur Melkkuh machen möchte, wer bei Kita-Plätzen den Rechtsanspruch ignoriert und Universitäten zur Funktionsunfähigkeit zurechtstutzt und gleichzeitig die Polizei zur fiskalischen Tabuzone erklärt, der wird am Ende einen hohen gesellschaftlichen Preis zahlen. Das Ergebnis der Einsparungen kann deshalb nur daran gemessen werden, ob sie Berlin auf dem Wege zu einer bewohnerverträglichen wie ökologischen Metropole voranbringt und soziale Spannungen mindert. Kluges Sparen muß die Investitionen in die Zukunft der Stadt nicht aus dem Blick verlieren: Das sind nicht zuletzt die Kinder. Daran zu erinnern, wie es die heutige Demonstration gegen Kürzungen im Bildungsbereich tut, kommt zur rechten Zeit. Gerd Nowakowski
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