Mehr aus Schlamperei

■ Das Münchner Alternativradio "Lora" steht vor dem finanziellen Ruin

Ist es Rachsucht, ist es Geldgier, sind es politische Motive, oder ist es einfach dumpfe Lust am Nachhakeln und Schienbeintreten, die den Münchner Dudelsender „89 Hit FM“ dazu bewegen, das alternative Radio Lora in den Konkurs zu treiben? Tatsache ist, daß das Damoklesschwert über dem kleinen Chaossender in Haidhausen wieder mal heftig ins Schwingen geraten ist. Grund dafür ist ein Fax von Hit FM, das Lora „zur Vermeidung gerichtlicher Schritte“ zur Zahlung einer sechsstelligen Summe verpflichtet – zahlbar bis 4. Juli.

Dabei ist die Schuld, die Lora auf sich geladen hat, ebenso lächerlich wie unbestritten. Bis zum 1. März teilte der Alternativsender die Welle 89,0 mit einigen Privaten, unter anderem Hit FM. Im letzten November (vor seinem Wechsel auf die Welle 92,4, wo das Radio seit 1. März täglich von 18 bis 21 zu hören ist) hatte es Lora – mehr aus Schlamperei als aus bösem Willen – verabsäumt, ordnungsgemäß sein Impressum zu senden. Daraus will ihm der alte Wellenkonkurrent nun einen Würgestrick drehen. Blödsinnigerweise – und auf Anraten eines offensichtlich inkompetenten Rechtsbeistandes – hatte sich Lora-Geschäftsführer Eberhard Efinger im November 93 auch noch zu einer Verpflichtungserklärung gegenüber Hit FM erpressen lassen. Darin gelobte er „bei Meidung einer Vertragsstrafe von DM 10.000 (!) für jeden Fall (!) der Zuwiderhandlung“ am Ende der jeweiligen Sendezeit Namen und Anschrift des Anbieters und des verantwortlichen Redakteurs zu nennen.

Daß ihm hinterher einfiel, welchen Bock er da ohne Not geschossen hatte, und er eine eilige Korrektur der Erklärung (auf noch immer stolze DM 1.000 pro Zuwiderhandlung) nachlegte, scheint nun nichts mehr zu nützen. Denn sein wilder Haufen im Studio scherte sich wenig um die aufgestellte Falle. Nach einer halbjährigen Schamfrist läßt der Geschäftsführer von Hit FM, Peter Pelunka, nun seine Rechtsanwälte mit der Verpflichtungserklärung wedeln. Mindestens 16 Verstöße können Lora im November 93 nachgewiesen werden. Macht 160.000 Mark.

Klar, daß ein solcher Betrag Radio Lora das Genick brechen würde. Dabei hat der Sender ohnehin gerade Ärger genug. Seit Pfingsten tobt nämlich ein langsam dröge werdender Machtkampf zwischen den sogenannten „Fundis“ und den „Feudalherren“, will meinen: Zwischen den nach eigenem Dafürhalten „echten Basisdemokraten“ und der „tyrannischen Geschäftsführung“. Was mit einer „Streiksendung“ anfing – in der freilich nicht recht klar wurde, was die Streikenden eigentlich wollten –, hörte sich bald an wie „eine endlose WG-Sitzung“ (SZ). Die letzte Mitgliederversammlung der Lora- Aktiven wurde ein einziges Geschäftsordnungsgezanke über Schuldzuweisungen. Eine vernünftige neue Struktur für den Sender kam an diesem Tag nicht in Sicht. Jetzt munkelten viele vom „Vatermord“ der Lora-Frischlinge an den „alten Herren“ der Lora-Gründergeneration.

Nun allerdings scheint es, daß die Lora-Familie insgesamt gemeuchelt wird. Zwar versicherte Hit-FM-Chef Peter Pelunka jetzt gegenüber der taz honigmundig, daß er Lora „nicht ruinieren, sondern nur einen Denkzettel verpassen“ wolle. Von der 160.000-Mark- Forderung will der Hit-Mann aber nicht abrücken. Vielleicht trägt ihm diese Standhaftigkeit ja neue Amigos ein. Gauweiler und seine CSU, alte Feinde von Lora, werden sich über Pelunkas Schützenhilfe beim Kahlschlag im bayrischen Äther jedenfalls freuen. Höchste Zeit, daß Lora seinen internen Streit begräbt und seine wirklichen Gegner erkennt. Thomas Pampuch