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Mit dem Ohr zwischen Klo und Tresen

100 Jazzer, 18 Bands – Heute beginnt das Quasimodo-Clubfestival „Jazz in July“  ■ Von Christian Broecking

Was sich derzeit in den Clubszenen der Jazzmetropolen tut, kann man in den nächsten Wochen im Berliner Jazzclub Quasimodo erleben. Heute beginnt das weltweit einzigartige Berliner Clubfestival „Jazz in July“, das mit 18 Bands und insgesamt über 100 Musikern, einen repräsentativen Querschnitt zum State Of The Art bietet.

Was den kommerziellen Livejazz von öffentlich-rechtlichen Minderheitsformaten unterscheidet, läßt sich am besten so ausdrücken: Was die Leute hören wollen, kann so schlecht nicht sein. Daß sich gerade im Jazz sogenannte Kritikermusiker zuhauf tummeln, hat die Logik des Business nicht verändert. Mittlerweile gilt: Auch wer hip tut und sein Instrument beherrscht, um die Tradition weiß, dazu auch noch studiert hat und mit einer kleinen intellektuellen Ansprache sein Konzert beginnt, wer fotogen und zudem noch jung und schwarz ist, kann sich gefüllter Abendkassen längst nicht mehr sicher sein.

Welcher New Yorker Jazzmusiker Anfang Juni noch keine Tour nach Übersee im Terminkalender vermerkt hat, ist entweder chronisch flugkrank oder hoffnungslos unbusy. Denn was die verschiedenen Szenen eint, ist neben der New-York-Headline vor allem die Gewißheit, in Europa etwas Geld zu machen. Denn was europäische Mammut-Jazzfestivals in zwei Sommermonaten so abwerfen, muß manchmal sogar für den Rest des Jazzjahres daheim reichen.

Der (ost-)amerikanische Musikeralltag ist traditionell hart und infarktfördernd, die Konkurrenz erdrückend und die durchschnittliche Abendgage in New Yorker Jazzclubs übertrifft selten den Preis, den ein Konzertbesucher für eine Live-Musikstunde löhnt. Die staatliche Subventionierung lokaler Jazzszenen hingegen wird von amerikanischen Musikern als typisch deutscher Steuerluxus bestaunt – in New York gibt es so was nicht.

Im Quasimodo allerdings auch nicht. Daß das Quasimodo andererseits auch vom allgemeinen Clubsterben in hiesigen Breitengraden betroffen ist, verweist auf die Kehrseite dieser Medaille. Mit zwei Schließungstagen pro Woche reagierte der traditionsreiche Live- Club im zwanzigsten Jahr auf rückläufige Besucherzahlen und veränderte Publikumsbedürfnisse. Daß das ambitionierte „Jazz in July“- Festival in diesem Jahr dennoch auf gut drei Wochen ausgedehnt werden konnte, ist sicher nicht nur dem Mut der Quasimodo-Crew zu danken, sondern auch seinem Ruf als der deutschen Jazzclubbühne schlechthin.

Wer im Frühsommer mal in den New Yorker Jazzläden vorbeischaut, spürt sofort, daß hier etwas in der Luft liegt. Emsige Aufbruchstimmung deutet sich vor allem dadurch an, daß die Programme der Clubs mit Starformationen überladen sind, die sich bei diesen Konzerten dann für ihre Tour nach Europa einspielen.

Beim Steve-Coleman-Festival zum Beispiel, das der Club Zanzibar Anfang Juni veranstaltete, konnte man an einem Abend Coleman mit seinem „M-Base-HipHop-And-Common- Sense“-Projekt Metrics bei der Generalprobe im völlig überfüllten Clubraum erleben, gefolgt von einem Saxophon-Akustik-Quartett-Abend, wo er sich gemeinsam mit Greg Osby, Craig Handy und Joe Lovano präsentierte.

Colemans Metrics werden am 4.7. im Quasimodo zu erleben sein, Osbys Streetjazz-Hopper am 12. und 13.7. Streift man nur ein paar Ecken weiter durchs vorsommerliche New York, zum Metropolis- Café am Union Square zum Beispiel, ist dort der saxophonende Altbopper Jimmy Heath hart am swingen.

Gemeinsam mit Nat Adderley, Tommy Flanagan, Buddy Montgomery, Bob Cranshaw und Tootie Heath wird er in der Riverside Reunion Band am 16.7. einen „Jazz in July“-Höhepunkt in Sachen Old School präsentieren. Betty Carter (19.7.) ist gleichzeitig der Old School und der New School zuzurechnen, da sie einerseits dafür bekannt ist, eine der ausdrucksstärksten Vokalistinnen des modernen Jazz zu sein und andererseits in ihren Trios vornehmlich ambitionierte Youngsters featurt.

Wer schon mal an einem jener Montagabende in der 55th Bar im New Yorker Village versackte, hat dort trotz freiem Eintritt und süffiger Bloody-Mary-Atmosphäre vielleicht auch mal ein Ohr in die Ecke zwischen Klo und Tresen riskiert. Wer dort nämlich unermüdlich jammt und probt, konnte sich seit seinem Start bei Miles Davis als einer der gitarrenden Heros der Fusion-Jazz-Szene profilieren: Mike Stern (6.7.).

Da Fusion schon traditionell zu den Konstanten des Quasimodo- Programms gehört, verwundert es auch nicht, daß neben Gary Thomas (3.7.), John Patitucci (14.7.), Yellowjackets (18.7.) oder Roy Ayers (22.+23.7.) in diesem Jahr auch mehrere sogenannte Acid- Jazz-Acts bei „Jazz in July“ – wie Mad In Paris (heute und morgen), Fishbelly Black (15.7.), Carleen Anderson (20.7.) oder Solsonics (21.7.) – angekündigt sind.

Wer mal echte Raritäten im Berliner Club-Jazzangebot erleben will, sollte die Bluesswinger Jimmy McGriff/Hank Crawford (10./11.7.), das Charles Lloyd Quartett (9.7.) und das Billie-Holiday-Songbook-Remake in der Interpretation des Terence Blanchard Quintetts (8.7.) mit Dizzy Gillespies Tochter Jeanie Bryson als Sängerin auf keinen Fall verpassen.

„Jazz in July“, ab heute bis zum 23.7. (außer 17.7.), immer ab 22 Uhr, im Quasimodo, Kantstraße 12a, Charlottenburg, weitere Informationen unter Telefon 312 80 86, die Karten kosten zwischen 25 und 30 Mark und können ab 17 Uhr im Café Quasimodo erstanden werden.

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