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■ ReichstagskuppeleiLeuchtturm ausgeknipst

Es gehört schon zur Theaterdramaturgie der Hauptstadtentscheidungen, daß es kurz vor dem großen Finale immer ganz spannend zu werden scheint. Auch bei der Frage, ob das Reichstagsgebäude in der Zukunft eine Kuppel oder einen Leuchtturm als Dachbekrönung tragen soll, schossen die Mitglieder des Ältestenrates des Deutschen Bundestages noch jede Menge Theatermunition ab. Hauptsache, es knallte noch einmal richtig lustig. Anstatt sich auf die wesentlichen Streitpunkte zu konzentrieren, brachte die CDU- Fraktion noch einmal die historische Kuppel und den pickelhaubigen Gedanken der Rekonstruktion ins Spiel. Die Kopie des Aufbaus sollte die Vergangenheit des Kolosses am Tiergarten um die Ecke bringen. Mit ähnlich lautem Theaterdonner inszenierte die SPD die verfremdende Leuchtturm-Variante. Daß es nach einigem Hin und Her, Auszügen aus dem Gremium und der wilden Drohung, den Umzug vielleicht platzen zu lassen, mit der Kuppel-light- Lösung des englischen Sirs endete, hätte weniger Muskelspiel benötigt. Die kleinen Verlierer am Rande der Dachaufbau-Farce aber sind der Reichstag selbst und der Architekt Norman Foster. Die bis dato unübersehbaren Erinnerungen an den Reichstagsbrand 1933 und die Zerstörung des nationalen Symbols 1945 werden zugeschminkt mit den von Foster ungeliebten Chiffren des 19. Jahrhunderts, die der High-Tech-Architekt nun realisieren muß. Machen wir uns nichts vor. Die leichte Kuppel ist im Unterschied zur bestehenden Lösung ein Verlust. Aus dem faulen Kompromiß aus Historizität und Moderne kann nur das Vertrauen in den Architekten helfen, daß er das nostalgische äußerliche Bild der Kuppel entzaubert und sich dem Innenleben, dem Kern, zuwendet. Rolf Lautenschläger

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