: Bierdosenkapitäne freuen sich
■ Wasser- und Schiffahrtsdirektion hebt das mittägliche Fahrverbot für Motorboote nach Gerichtsentscheidung auf
Die Besitzer von Motorjachten können ihre Maschinen wieder munter aufheulen lassen. Ab sofort ist die bisherige mittägliche Fahrverbotsregelung außer Kraft. Die Sommerüberraschung wurde den selbsternannten Kapitänen zur See vom Schiffahrtsobergericht beschert, das die im April 1992 erlassene Verordnung des Bundesverkehrsministeriums wegen eines Formfehlers aufhob. Entgegen den gesetzlichen Vorschriften sei damals das Bonner Umweltministerium nicht beteiligt worden, meinten die Richter in ihrem jetzt verkündeten Urteil.
Bislang galt in Berlin: Vom 1. Mai bis zum 30. September durfte samstags, sonntags und an allen Feiertagen von 12 bis 15 Uhr nicht mehr mit Motorbooten auf den Berliner Gewässern gefahren werden. Ebenso hinfällig wurde durch den Gerichtsbeschluß das für die gesamte Woche geltende Nachtfahrverbot von 22 bis 5 Uhr früh. Auslöser für die Gerichtsentscheidung, die von der Wasser- und Schiffahrtsdirektion (WSD) Ost sofort umgesetzt wurde, war die erfolgreiche Klage eines Berliner Motorbootbesitzers. Dieser war im September 1992 nach 12 Uhr mittags auf dem Tegeler See von der Wasserschutzpolizei gestoppt worden.
Umweltsenator Volker Hassemer (CDU) bedauerte gestern den Beschluß des Gerichts und kündigte an, sich noch in dieser Saison für eine neue Schutzregelung einzusetzen. Man wolle den Bund drängen, das vor der Wiedervereinigung geltende Berliner 14tägliche Wochenendfahrverbot einzuführen. Nur so sei „ausreichender Schutz“ gewährleistet. Eine „unglaubliche Amtsanmaßung“ nannte der umweltpolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen den sofortigen Vollzug durch die WSD. Der Schritt sei rechtlich „nicht zwingend gewesen“.
Gegen den Widerstand von Umweltschutzverbänden hatte 1992 der damalige Bundesverkehrsminister und begeisterte Wassersportler Günther Krause (CDU) die striktere Berliner Regelung aufgelockert. Sie legte jeweils am ersten und dritten Wochenende des Monats ein ganztägiges Fahrverbot fest. Zugleich ließ Krause die Geschwindigkeitsbegrenzung außerhalb eines 100-Meter-Uferschutzstreifens von 12 auf 25 km/h hochsetzen. „Bei dieser Regelung bleibt es auch“, versicherte gestern gegenüber der taz der WSD-Abteilungsleiter Michael Puschkat.
Unklar bleibt nach wie vor, ob der Richterspruch sich auch auf die Fahrverbote auf Brandenburger Gewässern bezieht. Während die Senatsverwaltung für Umweltschutz dies in einer Presseerklärung ausdrücklich verneinte, erklärte Puschkat auf Anfrage der taz: „Die Aufhebung der Fahrverbote gilt für alle Bundeswasserstraßen, also sowohl für Berlin als auch für Brandenburg“. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen