: Der Alte mahnt, der Neue rät uns leise Heimatliebe
■ Roman Herzog als Bundespräsident vereidigt
Berlin (taz) – Am Ende waren fast alle zufrieden: Nach der Ablegung des Amtseides hat Roman Herzog mit seiner ersten Rede als Bundespräsident gestern sein Bild als knallharter Nationalkonservativer korrigiert und auch bei seinen Kritikern Boden gutgemacht. Oppositionsabgeordnete zeigten sich erleichtert, daß der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts sich in seiner programmatischen Rede im Reichstag mit wichtigen gesellschaftlichen Problemen beschäftigte, die er in der Rede nach seiner Wahl am 23. Mai noch stillschweigend übergangen hatte. Der neue Bundespräsident ging indirekt auf die Kritik ein und gab sich sichtlich Mühe, die früher vermißten Themenfelder anzusprechen. So bekannte er sich zu Scham und Verantwortung für die deutsche Geschichte des „Dritten Reiches“, erklärte die Verbrechen des Nationalsozialismus als unvergleichlich, forderte ein hartes Durchgreifen von Polizei und Justiz bei der Verfolgung von Gewalttaten gegen Ausländer und würdigte den eigenständigen Beitrag früherer DDR-Bürger zur Wirklichkeit der neuen Bundesrepublik.
In einem verhaltenen Plädoyer für nationales Selbstbewußtsein erklärte der Niederbayer, er bekenne sich zur deutschen Nation. Der Nationalstaat habe sich aber als „alleinige Form politischer Gestaltung“ überlebt. Im Hinblick auf die Geschichte riet Herzog, die „Liebe zu unserem Land“ nicht einen Augenblick zu verschweigen, „uns dabei aber ausgesprochen leiser Töne zu befleißigen. Nationales Trara, Fanfaren und Tschinellen sind das letzte, was wir dabei brauchen können.“ Deutlich wurde, daß der neue Präsident kein Meister der Rhetorik ist. Beim Sprechen des Eides schlug dem Juristen die Rührung auf die Stimme. In sprachlicher Präzision und gedanklicher Schärfe fiel Herzogs Ansprache im Vergleich mit der seines Vorgängers deutlich ab.
Richard von Weizsäcker forderte in seiner Abschiedsrede die Bereitschaft zu Reformen. Zum sichtlichen Unmut der gesammelten Unionsfraktion mahnte er, die Einwanderungspolitik nicht länger zu tabuisieren. Der Kampf gegen Arbeitslosigkeit, eine Bildungsreform und die Bewahrung der Umwelt nannte der Bundespräsident a.D. als drängende Probleme. Bundestagspräsidentin Süssmuth dankte Weizsäcker für seine zehnjährige Arbeit: „Sie an der Spitze unseres Staates zu wissen hat uns allen gutgetan.“ mon
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