Sanssouci: Vorschlag
■ Mickael Bethe-Selassie – Künstler der Welt
Das Haus der Kulturen der Welt ehrt – vielleicht zum letzten Mal – einen wahrhaft phantastischen Figurateur. Mickael Bethe- Selassie, 1951 in Äthiopien geboren und zwanzig Jahre später zwecks eines Physikstudiums nach Frankreich ausgewandert, lebt seit 1973 in Paris. Sein Studium hat er dort alsbald an den Nagel gehängt. Die Renovierung seiner Wohnung, die er mit grellen Farben und phantastischen Gebilden ausstattete, war ihm Anlaß genug, sich fortan als freischaffender Künstler durchzuschlagen. Heute zählt er zu den international anerkannten multikulturellen Größen, in doppelter Hinsicht: Als Kind katholischer Eltern besuchte er in Addis Abeba ein französisches Gymnasium, wo Kinder unterschiedlichster Nationen ausgebildet wurden.
Im Haus der Kulturen der Welt sind derzeit reliefartige Wandobjekte und Skulpturen der letzten sechs Jahre zu sehen. Seine Werke verbinden die archaische Einfachheit afrikanischer Volkskunst mit klassischer Moderne, mit expressionistischen und kubistischen Elementen. Die frühen Objekte Bethe-Selassies sind noch überwiegend an die Wand gebunden. Von einem „Diptychon“, einem zweiteiligen Relief in Bildformat, glotzen einem Dutzende hervorgehobener Eierköpfe entgegen. Diese blöden, manchmal beunruhigenden Gesichter sind ein wesentliches Werkelement. Im „Altar“ ersetzen sie die Reliquien eines mittelalterlichen Schreines, der hier mehr an ein mehrstöckiges Puppenhaus erinnert, dessen Zimmer sie besetzen.
Andere Werke Bethe-Selassies haben heitere und leichte Elemente. So etwa die Nase mit Eigenleben der Pinocchio-Figur. Die betonte blaue lange, aber gebogene Nase besitzt Augen und hat eine eigene kleine Nase. In grellen rosa, lila, blauen und grünen Tönen setzt sich Bethe-Selassies aktuellstes Objekt, eine Fahrradrikscha, in Bewegung. Auf eine Art Zepter gestützt, bricht ein kleiner dicker Mann zu seiner „Initiationsreise“ auf. Das Zepter entpuppt sich bei näherer Betrachtung als ein von Papier umhüllter Malerpinsel. So wie Initiation die Aufnahme eines Neulings in eine bestimmte Gemeinschaft bedeutet, möchte man fast meinen, daß Bethe-Selassie hiermit seinen eigenen Einzug in die Künstlergemeinschaft feiert, nachdem er sich nun die Möglichkeiten seines Materials vollständig erschlossen hat. Petra Welzel
Haus der Kulturen der Welt, bis 21.8.
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