piwik no script img

Schabernack und Schnurrpfeifereien

Wie der Centurio Vogts das alte Schlachtroß Rudi sattelte und damit den Belgiern einen solchen Streich spielte, daß es, o Pein, dem Kugelfänger Preud'homme beinah die Seele aus dem Gehäuse trieb  ■ Von Herrn Thömmes

Berlin (taz) – Es begab sich, daß Vogts, der Centurio, in den Schweiß namenloser Angst gebadet war. Ja, Furcht trieb ihn nächtens um vor den Kohorten derer, die in Schrift und Wort Ränke schmieden gegen ihn. „Lichtscheues Gesindel“ nannte er sie bisweilen tief in seinem aufgewühlten Innern. Ach, nichts weniger als sein Kopf wurde gefordert, sollten er und die Seinen die kecken Belgier nicht niederwerfen.

Wann also mag es gewesen sein, als der Centurio die Eingebung hatte, das alte Schlachtroß noch einmal zu satteln und in die Arena zu schicken? „Ruuuudi“ hatte das Volk fordernd sich heißer gebrüllt und die Daumen eifrig nach oben gereckt. Nein, nicht den tumben Recken Riedle wollte es länger sehen, diesen Urian, der die Kugel nur mit dem Kopfe zu stoßen versteht. Und so kam es, daß an diesem kühlen Samstag nachmittag Rudi auf den Rasen trabte.

Oh, und wie er sich ins Getümmel warf! „Ei, ei, alter Zausel“, sprach da Albert, sein Kontrahent, „was ficht dich an, mir so zu Leibe zu rücken? Bleib mit vom Hals!“ Und mit Albert war, soweit bekannt, nicht gut Kirschen essen. „Und überhaupt, was ist das für ein Mummenschanz mit deinem blonden Haar?“ (siehe auch „Gurke des Tages“) Rudi aber hatte den Plan ausgeheckt, mit Albert ordentlich Schabernack zu treiben. Bald hierhin zu galoppieren und bald dorthin zu springen. Hö, hö, wie er den armen Albert hetzte!

Nach kurzer Zeit schon hatte er die Klette abgeschüttelt und rannte gen Preud'homme, der weit über die Grenzen hinweg ein berühmter Kugelfänger war. So geschickt und kalten Bluts lupfte Rudi, daß Preud'homme nichts als Luft in den Händen hielt; das Netz wölbte sich leicht, und dem Centurio fiel gleich ein ganzer Tempelvom Herzen.

Kaum, daß er sich dem Gefühl unendlicher Leichtigkeit hingegeben hatte, brachte der edle Grun Verderbnis über ihn und seine Mannen. Es war nämlich so, daß Kohler, der stets wie ein rüder Barbar focht, sich mit Ritter Bodo uneins war und die schändliche Untat Gruns nicht zu verhindern mochte. Ritter Bodo, jüngst als Kugelfänger nicht ganz ohne Fehl und Tadel, wurde im Nu von Pein ergriffen, der Centurio nicht minder.

Nun, es ging nicht allzuviel Zeit ins Land, als Rudi sich erneut dem Zugriffe Alberts entwinden konnte. Wuchtig dampfend schnaufte er durch die belgische Abwehrreihe, die erschrocken auseinander stob. Linkerhand kam eilends der Knappe Klinsi angeprescht und drosch flink das runde Ding, und wiederum blieb dem berühmten Kugelfänger nur, einen lauten Seufzer auszuhauchen: „Ich Unglücklicher, ich Schlechter!“ Der schöne Schwabe pflegt sich nach solchen Taten ganz närrisch zu gebärden, und es ward dem Publikum recht mulmig beim Veitstanz, aus Bange, Klinsi könnte nunmehr dem Irrsinn verfallen.

Nur gut, daß der berühmte Kugelfänger nicht ahnte, welch' trefflichen Streich Rudi alsbald zu landen gedachte. Häßler, ein kleiner Kobold, der rechtsseitig sein Unwesen trieb, schlug die Kugel von einer eckwärts gesetzten Standarte, wobei erste die Stirne Rudis fand und neuerlich mit List und Tücke am taumelnden Preud'homme vorbeibugsiert ward. Ah, diesem war wie ein tiefer Stich versetzt, ja, als wolle es ihm die Seele aus ihrem Gehäuse treiben. Und auch seine Mitstreiter befiel tiefes Herzeleid.

Allein in Albert loderte wild der Rachedurst. Zumal seine Streitlust mit neuer Hoffnung genährt wurde, da der kühne Lothar am rechten Huf lahmte und vom Centurio den Wundheilern und Quacksalbern übergeben wurde. „Ha! Memme! Der Gegner geschwächt!“ brummte Albert der Wüterich. Und stachelte die seinen auf, mit erbarmungslosem Eifer Ritter Bodo zu bestürmen. „Wir werden ihnen die Schnurrpfeifereien schon austreiben!“

Sprach's und stieß mit Ingrimm nach vorn. „Nimm, Schurke!“, ein Hieb mit dem Rechten, und Bodo war erneut geschlagen. Da warf der Centurio inbrünstig den Blick gen Himmel und bat: „O, laß dem Treiben eine Ende werden.“ Und siehe, er ward erhört.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen