: Wilhelminisches Relikt
■ betr.: „Knallhart bekämpfen“ (Was tun mit der PDS?), taz vom 27.6.94
[...] Auf Dauer erfolgversprechender scheint es mir, es würden schnellstmöglich Verhältnisse geschaffen, die die Existenz einer Partei links von der SPD überflüssig machten. Doch da die Bundes- SPD statt dessen insgeheim damit liebäugelt, sich im Herbst '94 mit der CDU zur „MED“ (Marktwirtschaftliche Einheitspartei Deutschlands) zusammenzutun, trägt sie Mitverantwortung an den Wahlerfolgen der PDS.
Daß letztere zum Schreckgespenst aufgeblasen wird, scheint mir übrigens ein wilhelminisches Relikt zu sein. Fürst Bismarck läßt grüßen. Helmut Oberst, Baden-Baden
[...] Es muß schon bitter sein, seine kaum eingesammelten Felle schon wieder davonschwimmen zu sehen. Wieder mal – wie schon so oft in der Geschichte der Sozialdemokratie – wird's offensichtlich, daß das ganze Gekrieche und Geschleime nichts genutzt hat und das Mitlecken am großen Kuchen der Macht wieder mal bescheiden ausfällt. Und das auch noch, weil diesmal die (wirklich) roten Genossen in die Suppe gespuckt haben. Ist ja nicht zu fassen! Und „linkspopulistische Konzepte“ haben die auch noch, wie widerlich! Daß die Arbeiter, die kleinen Leute einer noch so „linksextremistischen“ (was ist das überhaupt, „linksextremistisch“, schon mal drüber nachgedacht, Herr Hilsberg?) sozialistische Partei tatsächlich mehr vertrauen könnten als den sozialdemokratischen Verrätern, hat er ja sogar eingesehen und gibt mit niederträchtigem Zynismus zu bedenken, daß die SPD bei einer linken Mehrheit ihrer Wähler verlieren würde. Allerdings – an wen wohl? Dann schon lieber über Grün hinweg bis Schwarzbraun schielen, da haben sie keine Berührungsängste, die „Genossen“. Daß sie Gift und Galle spucken, ist nicht weiter verwunderlich. Die Sprache allerdings, die dabei gebraucht wird, ist mehr als verräterisch. „Knallhart bekämpfen“! Wie laut und wie hart soll's denn knallen? Wie 1933 oder wie 1919? Wenn irgendwelche dubiosen Figuren in diesem unserem Lande aus der Geschichte nichts gelernt haben oder lernen wollen, dann die unsäglichen Noske-Ururenkel der SPD. [...] Peter May, Hamburg
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